Notiert in BrüsselUrlaubsland Belgien

Belgiens Tra(u)mstrände

Fragen über Fragen: Warum haben die Belgier die Antwort auf Frankfurts Nordweststadt genau ans Meer gebaut? Und warum trifft man so viele von ihnen im Sommer in Frankreich – und nicht in De Panne oder De Haan?

Belgiens Tra(u)mstrände

Notiert in Brüssel

Belgiens Tra(u)mstrände

Von Detlef Fechtner

Zugegebenermaßen, Belgiens Strände sind gewöhnungsbedürftig. Wer sich gemeinhin auf den Seychellen, den Malediven oder Tahiti tummelt, wer also nur Strände wie aus der Bounty-Werbung oder im Bacardi-Jingle kennt, wird in Flandern eine etwas andere Ausprägung eines Küstenstreifens entdecken. Vorsichtig gesagt: Vor allem in den Strandbädern Blankenberge oder Koksijde und auch im Industriehafen von Oostende mangelt es an der malerischen Kulisse. Wo in der Südsee oder im Indischen Ozean Palmen das Bild dominieren, sind es im Westen Flanderns Häuser – und „Häuser“ reicht hier von pittoresken Villen bis hin zu charakterlosen Hochhäusern. In Blankenberge etwa mag sich mancher die Frage stellen, was die Belgier getrieben hat, ihre Antwort auf die Frankfurter Nordweststadt direkt am Meer anzusiedeln.

Keine Kokosnuss fällt auf den Kopf

Immerhin, die gute Nachricht lautet: Anders als an den Stränden der fernen Inseln geht an Belgiens Küste das Risiko, dass einem eine Kokosnuss auf den Kopf stürzt, gegen null. Ach ja, und noch eine gute Nachricht gibt es. Denn anders als Kuramathi, Teahupoo oder Bikini Beach und all die anderen Lagunen in Übersee kann man Middelkerke, Oostduinkerke oder Wenduine kinderleicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen, nämlich mit der Straßenbahn. Belgiens Küste mag vielleicht keine Traumstrände beherbergen, Tramstrände sind sie aber auf jeden Fall.

Die längste Straßenbahnlinie der Welt

67 Kilometer schlängelt sich die „Kusttram“, die längste Straßenbahnlinie der Welt, von De Panne nach Knokke, also vom südlichsten Ende des belgischen Meeresufers bis zum nördlichsten Punkt. Da es von beiden Endhaltepunkten nur noch fußläufig bis zur jeweiligen Landesgrenze ist, kann man auch etwas vergröbert sagen: Die „Kusttram“ verbindet Frankreich mit den Niederlanden. Wobei: Der südliche Teil der Niederlande, nämlich Zeeland, ist im eigenen Land nicht gut beleumundet. Die Zeeländer werden von ihren Landsleuten ähnlich verspottet wie die Ostfriesen in Deutschland. Zeeland rangiert unter Niederländern fast so niedrig wie Belgien. Ein schlechter holländischer Kalauer lautet deshalb: Wenn Zeeland an Belgien fiele, würde sich der durchschnittliche Intelligenzquotient erhöhen – sowohl in den Niederlanden als auch in Belgien.

Der schönste belgische Strand

Erste Badestelle auf niederländischer Seite ist übrigens das Küstenörtchen Cadzand, das – die Geografie völlig ignorierend – bei vielen als der schönste belgische Strand gilt. Das soll freilich nicht heißen, dass es nicht auch schöne Dünen auf belgischem Territorium gibt, beispielsweise das wundervolle De Haan (Le Coq) oder auch De Panne. Am besten, man nimmt sich einmal selbst zweieinhalb Stunden Zeit, fährt mit der „Kusttram“ für kleines Geld alle 68 Stationen ab und entscheidet sich anschließend für die persönliche Sommerfrische. Die einzige Frage, die dann noch bleibt: Warum eigentlich stößt man angesichts so viel maritimer Schönheit im eigenen Land trotzdem noch im Süden Frankreichs auf so wahnsinnig viele Touristen mit belgischem Nummernschild?

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