Kommentar:Venture Capital

Bewertungsspirale am Start-up-Markt droht

Venture-Fonds wie Tiger Global prüfen offenbar großvolumige Verkäufe von Beteiligungen. Doch bezüglich der Start-up-Bewertungen bestehen derzeit bedeutende Meinungsunterschiede zwischen Verkäufer- und Käuferseite.

Bewertungsspirale am Start-up-Markt droht

Start-ups

Abwärtsspirale droht

Von Alex Wehnert

Am US-Sekundärmarkt für Private Equity besteht ein folgenschweres Ungleichgewicht.

Der Tech- und Start-up-Szene droht eine anhaltende Abwärtsspirale der Bewertungen. Denn die Risikofreude führender US-Investmentfirmen hat nach den Fed-Zinserhöhungen und Marktverwerfungen der vergangenen Monate bedeutend abgenommen – zugleich stehen Venture-Fonds unter Druck, den Return-Erwartungen ihrer zuletzt enttäuschten Investoren wieder gerecht zu werden.

Offenbar prüfen zahlreiche Wagniskapitalgeber nun Verkäufe ihrer Beteiligungen. So will Tiger Global angeblich Teile ihres 40 Mrd. Dollar schweren Private-Equity-Portfolios abstoßen. Noch 2021 vollzog der Hedgefonds mehr Start-up-Transaktionen als jeder US-Konkurrent. Die Lust auf Deals erhielt aber einen Dämpfer, als Tiger Global den Wert ihres Venture-Portfolios 2022 um 33% nach unten korrigieren musste.

Die kolportierten Verkaufspläne der New Yorker passen zum Trend. Denn Exits über Börsengänge sind als Option, um Cash zu generieren und Ansprüche von Investoren zu bedienen, in weiten Teilen weggebrochen. Gemäß Daten der Beratungsgesellschaft EY sind die Emissionserlöse aus IPOs im ersten Quartal 2023 zum Vorjahr um 61% auf 21,5 Mrd. Dollar abgesackt.

Dass der Sekundärmarkt für Private Equity im Gegensatz dazu floriert, heißt aber nicht, dass Veräußerungen für Firmen wie Tiger Global einfacher werden. Denn bezüglich der Bewertungen bestehen deutliche Meinungsunterschiede zwischen der Käufer- und der Verkäuferseite. Mitte 2022 bezifferte Tiger Global den Wert ihrer Investments in den Online-Bezahldienst Stripe beispielsweise auf 1,5 Mrd. Dollar. Doch bei einer Finanzierungsrunde im März halbierte sich die Bewertung des Payment-Anbieters.

Hinzu kommt, dass Tiger Global und weiteren Venture-Vertretern eine wesentlich kleinere Zahl an Kaufinteressenten gegenübersteht. Deren Verhandlungsposition wird noch dadurch gestärkt, dass sie um das schwache Abschneiden ihrer Kontrahenten auf anderen Feldern wissen. So ist Tiger Global für Crossover-Fonds bekannt, die sowohl in Private Equity als auch in börsennotierte Tech-Unternehmen investieren. Und wenngleich sich die Aktienkurse letzterer Gesellschaften deutlich erholt haben: Die Verluste seit dem Schlussquartal 2021 sind damit noch lange nicht wettgemacht.

Das Ungleichgewicht am Private-Equity Sekundärmarkt schlägt sich nun zudem in einer Phase nieder, in der das Start-up-Segment infolge des Kollapses der Silicon Valley Bank durchgerüttelt ist. Es bahnt sich ein langfristiges Dilemma an, in dem Wertverluste der Venture-Portfolios den Verkaufsdruck noch erhöhen und dies wiederum zu neuen Wertverlusten führt.