LeitartikelImmobilien

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Die Expo Real haben viele Besucher in erster Linie zum Informationsaustausch genutzt. Klarheit über die Zukunft der Immobilienmärkte haben die meisten aber nicht gewonnen. Jetzt droht der Attentismus sich fortzusetzen.

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Die Immobilienmesse Expo Real hat viele Informationen, aber wenig Klarheit über die Zukunft der Märkte gebracht.

Von Thomas List

Gedränge in den Gängen, Menschentrauben vor einigen Ständen, gut gefüllte Zuschauerränge bei den Podiumsveranstaltungen – auf der Immobilienmesse Expo Real, die am Freitag (6. Oktober) zu Ende ging, war viel los. Und auch die insgesamt sieben Hallen waren mit 1.856 Ausstellern, praktisch ebenso viele wie im Vorjahr, gut gefüllt. Es ist allerdings aufgefallen, dass es "luftiger" war als in vergangenen Jahren, insbesondere vor Corona.

Ins Auge fielen die vielen Begegnungsstätten – Expo Real Lounges als "neutrale" Flächen, aber auch auf manchem Stand selbst. Das passt zum Trend der zunehmenden Begegnung und der Austausches, der ja auch in den modernen Büros im Zentrum steht. Natürlich war der persönliche Austausch schon immer das zentrale Motiv solcher Messen. Traditionell ist die Expo Real aber stark abschlussbezogen, eine Arbeitsmesse (in gewissem Gegensatz zur Mipim in Cannes im Frühjahr).

Doch in diesem Jahr war es anders. Orientierung war der zentrale Grund, warum die meisten der über 40.000 Immobilienexperten nach München gekommen sind. Denn die Umsätze auf den deutschen Immobilienmärkten sind drastisch gesunken. Die gerade erst vorgelegten Zahlen für das dritte Quartal bzw. die ersten drei Quartale zeigen: Es gibt bestenfalls eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau.

Daher die Frage: Wann geht’s wieder aufwärts? Wann liegen die Umsätze wieder im gewohnten Bereich? Die meisten Prognosen liegen in der zweiten Hälfte oder Ende 2024, manche rechnen auch erst Anfang 2025 mit einer nachhaltigen Erholung.

Es fehlt bisher an Vertrauen. An Vertrauen darin, dass das Zinsniveau so bleibt, wie es jetzt ist, oder sogar zurückgeht. Damit es so weit kommt, müssten wohl ein oder zwei EZB-Sitzungen ohne Zinsbeschlüsse ins Land gehen. Vertrauen, dass die Inflation zurückgeht. Dazu müsste sich der aktuelle Rückgang fortsetzen. Voraussetzung für Abschlüsse ist aber auch die Zuversicht in die weitere wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands und Europas.

In allen drei Bereichen – Zinsniveau, Inflation, Konjunktur – kann man zu einem verhalten optimistischen Urteil kommen. Und mancher Messebesucher verwies auf Transaktionen, die es schon jetzt gebe, aber eben "off market", also für die Öffentlichkeit verborgen und damit in den Maklerzahlen nicht auftauchend. So lässt sich der Markt nicht drehen.

Unterwegs war in München der eine oder andere Schnäppchenjäger, der jetzt die Chance für einen günstigen Markteinstieg sieht. Das dürfte aber ein zartes Pflänzchen sein und bleiben. Zentral ist die Einschätzung der beiden größten Nutzungsarten Büro und Wohnen. Büros werden weiter gebraucht – trotz oder wegen Homeoffice. Sie müssen mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbare und gut ausgestattete Orte des Austausches und der Ideenentwicklung sein. Solche Flächen sind rar, werden stark nachgefragt und sind damit teuer. Wen man auf der Expo auch fragt, bei diesen Bürogebäuden wollten sie sich engagieren.

Bei Wohnen bleibt das Angebot knapp und die Nachfrage von Mietern hoch. Das sind gute Voraussetzungen für eine hohe Nachfrage von Investoren. Störend aus dieser Sicht sind die politischen Rahmenbedingungen (Mietendeckel bis Enteignungen) und notwendige bauliche Maßnahmen in Richtung Nachhaltigkeit, die wieder an politischen Vorgaben hängen. Klarer hat man da in München auch nicht gesehen, auch wenn die Ergebnisse des Wohnungsgipfels durchaus wohlwollend aufgenommen, aber nicht als ausreichend angesehen wurden.

So dürften die Messebesucher mit einer Fülle von Informationen und Eindrücken nach Hause gereist sein, ohne ein klares Bild über die Zukunft der Immobilienmärkte erhalten zu haben. Das dürfte nicht wenige dazu verleiten, noch weiter abzuwarten und auf Zeichen zu hoffen, die mehr Sicherheit über Preise und Rahmenbedingungen versprechen. Das Problem: Wenn alle das "Bitte warten"-Schild beherzigen, passiert wenig bis nichts. Chancen haben dann diejenigen, die mehr Risiken eingehen – und mit höheren Renditen belohnt werden könnten.

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