Südeuropa wappnet sich gegen Wassermangel
Blickfeld Dürre
Südeuropa geht das Wasser aus
Phänomen droht in den nächsten Jahren zuzunehmen
Gerhard Bläske, Thilo Schäfer, Gesche Wüpper, Mailand/Madrid/Paris
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Flüsse, die kläglichen Rinnsalen gleichen, ausgetrocknete Wälder, die sich beim kleinsten Funken in ein flammendes Inferno verwandeln, Dörfer, in die Zisternenwagen Trinkwasser bringen müssen: Wassermangel und Dürre haben Südeuropa im letzten Sommer stark zugesetzt. Nach dem niederschlagsarmen Winter droht sich das Phänomen in diesem Jahr noch zu verstärken. „Europa und der Mittelmeerraum könnten einen extremen Sommer erleben, der dem Jahr 2022 ähnelt“, heißt es in einem kürzlich veröffentlichten Bericht der EU-Kommission.
Die Trockenheit setzt bereits jetzt vor allem Frankreich, Italien und Spanien zu. Doch das könnte nur ein kleiner Vorgeschmack darauf sein, was Südeuropa in Zukunft erwartet, meinen Experten. Wegen des Klimawandels dürften extreme Wetterphänomene wie Dürreperioden in den kommenden Jahren nicht nur zunehmen, sondern sich auch intensivieren, warnt der Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC). Für die Landwirtschaft, die Wasserversorgung von Haushalten und Unternehmen sowie die Erzeugung von Energie hätte dies verheerende Folgen.
Die besonders betroffenen Länder beginnen nun, sich dafür zu wappnen. So präsentierte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gerade einen Plan für den drohenden Wassermangel. Italiens Regierung kündigte ein Hilfspaket an, und in Spanien hat die Regionalregierung des besonders stark von der Dürre getroffenen Katalonien erste Notfallmaßnahmen ergriffen.
„Infolge des Klimawandels werden uns bis 2050 insgesamt 30 bis 40% weniger Wasser zur Verfügung stehen“, sagt Macron. Obwohl in vielen Teilen des Landes in den letzten Wochen der sehnlichst erwartete Regen eingesetzt hat, ist es gerade in der Region Provence-Alpes-Côte d‘Azur (PACA) noch immer viel zu trocken. Landesweit liegen derzeit 70% der Grundwasservorkommen unter dem Normalwert.
Auch in Spanien sind die Stände zahlreicher Wasserreservoirs deutlich niedriger als sonst. Dabei gibt es starke regionale Unterschiede. Am meisten betroffen ist Katalonien, das wie das benachbarte Südfrankreich seit sehr langer Zeit kaum noch Niederschläge verzeichnet und bereits recht drastische Schritte eingeleitet hat. So wird derzeit das verbleibende Wasser aus dem Stausee von Sau, der nur noch bei 10% seines Fassungsvermögens liegt, in ein anderes Reservoir umgepumpt, bevor es verfault und unbrauchbar wird.
Zunehmende Gebäudeschäden
In Italien wiederum sind die Felder in der Po-Ebene knochentrocken wie sonst im August. Die Wasserreservoirs in den Bergen sind bestenfalls halbvoll. Dabei müssten sie jetzt, zur Zeit der Schneeschmelze, gut gefüllt sein. Die Flüsse führen wenig Wasser, in Po und Etsch sind es um die 70% weniger als sonst um diese Zeit. Im Po-Delta ist die Muschelproduktion massiv gefährdet. Der Wasserstand in den oberitalienischen Seen ist beängstigend niedrig.
In Frankreich haben Versicherungen allein für die 2022 durch Trockenheit verursachten Schäden an Gebäuden 2 bis 3 Mrd. Euro gezahlt. In immer mehr Bauwerken in Frankreich entstehen Risse, da sich die Tonschichten in der Erde, auf der sie stehen, bei extremer Dürre stark zusammenziehen und sich dann, wenn die Erde wieder feucht ist, wieder ausdehnen.
48% des Geländes in Frankreich seien diesem Risiko ausgesetzt, 16% der Häuser sogar stark, schreibt Risiko-Experte Jérôme Berger in einem Gastbeitrag in „Le Monde“. Die durch Dürre in Frankreich verursachten Schäden könnten 2020 bis 2050 insgesamt 43 Mrd. Euro kosten, das Dreifache der im Zeitraum 1989 bis 2019 angefallenen Summe. Auch Unternehmen litten unter der Trockenheit, etwa der Stromversorger EDF (Électricité de France), da seine Wasserkraftwerke nicht so viel Strom wie sonst produzieren können.
Um eine drohende Katastrophe bei der Trinkwasserversorgung zu vermeiden, müsse ein radikaler Wandel erfolgen, fordert nun ein Regierungsausschuss. Zumal der Wasserverbrauch während sportlicher Großereignisse in Frankreich wie der Rugby-Weltmeisterschaft in diesem Herbst und den Olympischen Spielen im Sommer 2024 zumindest zeitweise stark steigen dürfte. Es sei unverständlich, dass ein Fußballclub und Golfplätze letztes Jahr trotz der geltenden Wasserbeschränkungen Ausnahmegenehmigungen zur Bewässerung bekommen hätten, kritisiert der Ausschuss.
Die Nutzung von wiederaufbereitetem Abwasser sei eine mögliche Idee für die künftige Bewässerung von Golfplätzen, meint Umweltminister Christophe Béchu. Bislang wird in Frankreich lediglich etwa 1% des aufbereiteten Abwassers wiederverwendet. Dieser Anteil soll, so der Wille Macrons, bis 2030 auf 10% steigen. Der Regierungsausschuss will noch weiter gehen. Er appelliert an die Ministerien, für die ihnen unterstellten Branchen Pläne auszuarbeiten, wie Wasser eingespart werden kann. Das ist umso dringlicher, als Präsident Macron das Ziel, 10% des Wasserverbrauchs einzusparen, gerade von 2024 auf 2030 verschoben hat.
In Spanien arbeitet die Regionalregierung in Barcelona derweil an einem umfassenden Plan, der im Mai fertig sein soll. Nachdem der Wasserverbrauch für die Landwirtschaft und die Industrie bereits eingeschränkt worden ist, geht es nun auch langsam an den Verbrauch der Haushalte. So dürfen Gärten nur noch an zwei Tagen pro Woche bewässert werden.
Die Stadt Barcelona wird 40% der ornamentalen öffentlichen Brunnen trockenlegen, und manche Badeorte an der Costa Brava haben die Duschen an den Stränden abgedreht. Eine große Kontroverse gab es um das Verbot, Schwimmbäder mit Frischwasser aufzufüllen. Pools mit Meereswasser haben keine Probleme. Die katalanische Regierung hat wegen der Proteste der Tourismusbranche jedoch Ausnahmen für Becken in Gemeinschaftswohnanlagen und Hotels eingeräumt.
Die Lombardei hat das rare Nass jetzt ebenfalls rationiert. Die Wasserkraftwerke haben schon 2022 etwa ein Drittel weniger Energie erzeugt als sonst. Klimaforscher Luca Mercalli, der Präsident der Stiftung Cima, fürchtet, dass das Schlimmste noch kommt. „Sollte es bis Mai weiter nicht regnen, stehen wir vor einem beispiellosen Sommer.“ Zwar herrscht auch in anderen Regionen wie in Sizilien oder in Latium Notstand. Doch in den letzten 16 Monaten sind im Norden des Landes nur 30% des sonst üblichen Niederschlags gefallen.
Leckende Rohre
Die Regierung von Giorgia Meloni hat schon rund 200 Mill. Euro für die Schäden des letzten Sommers bereitgestellt und bereitet nun einen Plan in Milliardenhöhe vor. Die Rede ist von fast 8 Mrd. Euro, darunter auch 2 Mrd. Euro aus dem europäischen Wiederaufbauprogramm. Finanziert werden sollen damit Investitionen in das Wasserleitungsnetz sowie der Bau von Wasserreservoirs und von Wasserdämmen. Außerdem soll ein Sonderkommissar ernannt werden.
In Italien gehen jedes Jahr 40% des Wassers durch leckende Rohre und Leitungen verloren, in Frankreich 20%. Macron will deshalb jetzt 180 Mill. Euro jährlich in die Verbesserung des Wasserleitungsnetzes stecken. Der Wassermangel hat in den Mittelmeerländern langfristige Folgen für die Wirtschaft. So wird in Spanien die Umleitung vom Fluss Tajo an die Mittelmeerküste zunehmend reduziert. Die Landwirtschaft in Alicante und Murcia, die ganz Europa mit Obst und Gemüse beliefert, fürchtet um ihre Existenz. Das Problem soll durch den Ausbau von Entsalzungsanlagen behoben werden, die rein mit erneuerbarer Energie betrieben werden. Doch das aufbereitete Meereswasser ist teurer – und die angekündigten Infrastrukturprojekte lassen auf sich warten.