Blick in den Abgrund
Die fetten Jahre sind auch in der Automobilindustrie vorerst vorbei. Nachdem General Motors Ende 2018 Werksschließungen und Stellenstreichungen angekündigt hat, folgte vergangene Woche der neue VW-Kooperationspartner Ford, der ankündigte, den Gürtel enger schnallen zu müssen. Auch davon soll ein signifikanter Anteil der 50 000 Mitarbeiter betroffen sein. Das Kontrastprogramm bieten derzeit vor allem die deutschen Autobauer. Volkswagen, Daimler und BMW haben ihren Absatz 2018 jeweils gesteigert – trotz der Diesel-Aversion deutscher Kunden und des holprigen Starts mit dem neuen Emissionsprüfzyklus WLTP.Auch ins Jahr 2019 starten die hiesigen Branchenvertreter optimistisch. Der künftige Daimler-CEO Ola Källenius gab auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas das Ziel aus, “unterfüttert von unserem Produktangebot” 2019 weiter zu wachsen. Auch Volkswagen will den Vertriebsrekord des Jahres 2018 im laufenden Turnus übertreffen. Mit seinen zwölf Marken sieht sich der Wolfsburger Konzern gerüstet, den Handelskonflikten und dem bevorstehenden EU-Austritt Großbritanniens zu trotzen. BMW setzt mit neuen Modellen wie dem X7 darauf, ebenfalls leicht zulegen zu können.Dabei haben auch die deutschen Autobauer allen Grund, auf die Euphoriebremse zu treten. Mit Blick auf China – den wichtigsten Pkw-Markt für BMW, Daimler und Volkswagen – tut sich womöglich ein Abgrund auf. 2018 ist der Absatz in der Volksrepublik China um 6 % geschrumpft – erstmals binnen drei Jahrzehnten. Der eskalierende Handelskrieg mit den USA scheint im Reich der Mitte zunächst tiefere Wunden zu reißen als im Mutterland des Kapitalismus. Der iPhone-Anbieter Apple erklärte seine drastisch gesenkte Umsatzprognose für das Weihnachtsquartal vor zwei Wochen primär damit, dass der chinesische Markt sich extrem schwach entwickelt habe, und begründete dies wiederum mit einem konjunkturellen Einbruch zum Jahresende. Nach den USA ist China für den Konzern aus Cupertino der zweitwichtigste Markt. Für BMW, Daimler und Volkswagen ist es sogar der wichtigste. Ohne ihr Wachstum in China hätten BMW und Daimler ihren Autoabsatz schon im vergangenen Turnus nicht mehr gesteigert. Bricht der Absatz im Reich der Mitte auch im weitgehend verschonten Premiumsegment ein, werden die Autobauer dies andernorts kaum kompensieren.Denn der US-Markt soll erstmals seit Jahren weniger als 17 Millionen neue Autos aufnehmen. Trotz der positiven Verbraucherstimmung und des überraschenden Absatzwachstums 2018 spricht einiges dafür, dass der Markt den Zenit überschritten hat. So wird sich der Schub, den die Steuersenkung des US-Präsidenten Donald Trump im vergangenen Jahr gegeben hat, nicht wiederholen. Analysten fürchten sogar einen gegenteiligen Effekt, weil viele Konsumenten umsonst auf erneute Steuerrückzahlungen hoffen. Die gestiegenen Zinsen dürften ebenfalls zu einem Abflauen der Nachfrage beitragen. Bleibt noch Europa. Doch der 2018 von der WLTP-Umstellung gebremste Kontinent steht konjunkturell ebenfalls schlechter da als noch vor einem Jahr. Und selbst wenn hier ein ordentliches Wachstum gelänge, würde dies kaum dazu gereichen, eine schwächere Entwicklung sowohl in den USA als auch in China zu kompensieren.—–Von Sebastian SchmidDie hiesigen Autobauer rechnen auch 2019 mit Absatzwachstum. Dabei trüben sich die Aussichten ein. Wachstumstreiber China fährt längst im Rückwärtsgang.—–