Britische Finanzaufsicht am Pranger
Im Blickfeld
Abgeordnete stellen britische Finanzaufsicht an den Pranger
Die Behörde FCA steht seit langem in der Kritik. Nun ist eine Parlamentariergruppe zu einem vernichtenden Untersuchungsergebnis gekommen.
Von Andreas Hippin, London
Die FCA wird bestenfalls als inkompetent betrachtet, schlimmstenfalls als unehrlich.“ Zu diesem vernichtenden Fazit kommt eine Untersuchung einer überparteilichen Parlamentariergruppe, die sich gegen Anlagebetrug und für eine fairere Finanzdienstleistungsbranche einsetzt. Für die britische Finanzaufsicht kommt das dem Offenbarungseid gleich.
Der 358 Seiten starke Bericht enthält Aussagen von 175 Einzelpersonen, die mit der Financial Conduct Authority (FCA) zu tun hatten. Unter ihnen befinden sich Opfer von Betrügern, Whistleblower und ehemalige Mitarbeiter der Behörde.
„Ganz wesentliche Defizite“
„Bedauerlicherweise legen die eingegangenen Aussagen nahe, dass es ganz wesentliche Defizite bei der FCA gibt“, konstatiert Bob Blackman, der konservative Co-Vorsitzende der APPG Investment Fraud & Fairer Financial Services, im Vorwort. „Sie wirkt wie eine undurchsichtige Organisation, die niemandem rechenschaftspflichtig ist, langsam handelt und noch langsamer zugibt, dass sie etwas falsch gemacht hat, und sich ändert.“
Der Parlamentariergruppe gehören um die 30 Unterhausabgeordnete und rund ein Dutzend Mitglieder des House of Lords an. „So unbequem es für das Führungsteam der FCA sein mag, die vorgelegte evidenzbasierte Kritik zu lesen, hoffe ich doch, dass es die Analyse und die Empfehlungen so nehmen kann, wie sie gemeint sind: als hilfreiche Hinweise darauf, wo Reformen nötig sind“, sagte der Oberhausabgeordnete Chris Fox von den Liberaldemokraten. Fox ist auch einer der Vizepräsidenten der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer.
FCA blockt ab
Doch was die Reaktion der Behörde angeht, täuschte er sich. Die FCA behauptete, das von dem Bericht entworfene Bild entspreche nicht dem, was sie Tag für Tag erfahre. Der Bericht werde dem „Einsatz und Engagement“ nicht gerecht, mit dem die Behörde ihre Ziele verfolge. Aus einem Teil der enthaltenen Fälle wie dem Kollaps von London Capital & Finance (LCF) habe man bereits gelernt und Veränderungen vorgenommen.
In einer von der „Financial Times“ zitierten E-Mail an die Mitarbeiter beklagte sich die Führung der Behörde, dass ihr nicht vorab die Möglichkeit gegeben wurde, auf die im Bericht der Parlamentarier enthaltenen Aussagen und Schlussfolgerungen zu reagieren. Man habe ihr auch vor Veröffentlichung kein Exemplar zukommen lassen.
Nach dem Scheitern von „light touch“
„Wenn wir Feedback bekommen, ist es wichtig, dass wir einen Schritt zurücktreten und darüber nachdenken, ob es Lektionen gibt, die wir daraus lernen können“, zitiert das Blatt mit den lachsfarbenen Seiten aus dem elektronischen Mitarbeiterrundschreiben. Angesichts der Langsamkeit, mit der die Behörde vorgeht, wagt man keine Prognose, wann irgendetwas unternommen wird.
Die FCA entstand auf den Trümmern der einst vom Labour-Schatzkanzler Gordon Brown ins Leben gerufenen Financial Services Authority (FSA). Der Zusammenbruch von Barings und der Skandal um Bank of Credit & Commerce International hatten Labour davon überzeugt, dass es mit Selbstregulierung allein nicht getan ist, wenn man Stabilität gewährleisten will. Die Finanzkrise belegte eindrücklich, dass die von der FSA zuvor verfolgte „Light touch“-Regulierung nicht ausreicht.
LCF und Lendy
Die Nachfolgebehörde ist mittlerweile ebenso diskreditiert. Das liegt an Fällen wie LCF und Lendy. Unabhängige Finanzberater hatten die Behörde der BBC zufolge schon 2015 auf irreführende Werbung von LCF hingewiesen. Der Skandal drehte sich darum, dass Lendy vor ihrem Zusammenbruch Kleinanleger mit Zinsen von 8% anlockte. Sie investierten mehr als 230 Mill. Pfund in Mini-Bonds. Das Unternehmen vermarktete sie als steuerbegünstigten Sparplan (Individual Savings Account, ISA).
Anleger dürften geneigt gewesen sein, den Angaben zu glauben, weil die Firma damit warb, dass sie von der FCA beaufsichtigt wurde. Der ISA ist ein bekanntes Produkt, von dem man keinen Totalverlust erwarten würde. Mini-Bonds unterliegen dagegen nicht der Regulierung durch die FCA.
FCA wird Aufgaben nicht gerecht
Die ehemalige Richterin Elizabeth Gloster kam 2020 bei ihrer unabhängigen Untersuchung des Skandals zu dem Schluss, dass die Geschädigten Anspruch auf besseren Schutz durch die Aufsicht gehabt hätten. Die Behörde habe ihre gesetzlichen Aufgaben nicht erfüllt. Sie bemängelte auch Verzögerungen und Fehler der FCA bei der Bereitstellung von Informationen für das Team, das die Untersuchung durchführte.
Als Lendy, die damit geworben hatte, mit britischen Immobilien besicherte Darlehen zu vermitteln, kollabierte, hatten 20.000 risikofreudige Kunden 54 Kredite in Höhe von insgesamt 152 Mill. Pfund vergeben. Die FCA hatte Lendy zu einem Zeitpunkt die Zulassung als Peer-to-Peer-Plattform erteilt, als ihr Überleben bereits grundsätzlich infrage stand. Sie nahm die Firma aus Portsmouth zwar an die kürzere Leine. Doch am Ende überraschte sie ihr Zusammenbruch ebenso sehr wie die Anleger.
„Am Steuer eingeschlafen“
Die prominenten Juristen, die Untersuchungen gegen die Aufsicht führten, hielten sich meist vornehm zurück. Die prominente Anti-Brexit-Aktivistin Gina Miller nahm dagegen kein Blatt vor den Mund, als Andrew Bailey, der vorübergehend die FCA leitete, zum Sprung auf den Chefsessel der Bank of England ansetzte. „Am Steuer eingeschlafen“ lautete der Titel ihrer 36-seitigen Kampfschrift. Sie befasst sich mit den Pannen, die sich unter Baileys Führung zutrugen.
Neben LCF und Lendy ging es auch um den Skandal um den Flaggschifffonds von Woodford Investment Management und die Aufarbeitung von Skandalen der Vergangenheit bei Royal Bank of Scotland (heute Natwest) und Lloyds Banking Group.
Osborne gab die Richtung vor
„Andrew Baileys Amtszeit als CEO der FCA wurde durch einen giftigen Cocktail aus Nachlässigkeit, Inkompetenz und Indifferenz gegenüber den Bedürfnissen gewöhnlicher Sparer, Anleger und Rentner gekennzeichnet“, sagte Miller damals. „Unter seinen Augen haben Hunderttausende Briten ihr Geld verloren – in vielen Fällen ihre gesamten Ersparnisse, wodurch ihre Leben, Familien und Firmen zerstört wurden.“
Der ehemalige Schatzkanzler George Osborne hatte die Richtung vorgegeben, als er 2015 den damaligen FCA-Chef George Wheatley feuerte. Unter seiner Führung wurden Geldstrafen verhängt wie nie zuvor. Übergangschefin Tracey McDermott entschärfte zuerst das Senior Managers Regime. Es sollte ermöglichen, Personen aus den Topetagen des Finanzgewerbes persönlich zu belangen.
Die von Wheatley angekündigte Überprüfung der Firmenkulturen der Banken wurde nach wenigen Monaten ohne Abschlussbericht eingestellt. Nachdem McDermott an ihrem goldenen Fallschirm zu Standard Chartered schwebte, übernahm Bailey.