Notiert inAsbury Park

Bruce Springsteen und der Wandel des American Dream

Bruce Springsteen ist ein lebendes Monument des amerikanischen Traums. Wie stark sich dieser infolge der Inflation gewandelt hat, wird aber rund um das Heimatkonzert der Rocklegende in Asbury Park deutlich.

Bruce Springsteen und der Wandel des American Dream

Notiert in Asbury Park

Der Boss als lebendes Monument

Von Alex Wehnert

Über den Strand von Asbury Park ist eine der wohl letzten warmen Sommernächte des Jahres hereingebrochen, doch der Boss hat noch lange nicht genug. Während einige Ordner schon mit den Hufen scharren und darauf warten, die Besucher des „Sea. Hear. Now“-Festivals am Jersey Shore zu den Ausgängen zu scheuchen, setzen Bruce Springsteen und die E Street Band zu einer neuen Nummer nach der nächsten an – wobei die Rocklegende am Mikrofon sich längst ihrer dunklen Weste entledigt hat und im durchgeschwitzten weißen Hemd in die Saiten greift.

Rocklegende schwelgt in Erinnerungen

Für den bald 75-Jährigen, so merken es die Fans, die drei Stunden lang jeden Hit von „Born to Run“ bis „Dancing in the Dark“ mitschmettern, ist der Auftritt eine Liebeserklärung an seine lange im Niedergang befindliche, im 21. Jahrhundert wieder aufgelebte Heimatstadt. Besonders emotional wird es, wenn Springsteen Lieder von seinem Debütalbum „Greetings from Asbury Park, N.J.“ anstimmt oder in seltenen Pausen zwischen Songs in Reminiszenzen schwelgt.

„Blinded by the Light“ habe er nur rund 500 Meter entfernt von der Bühne geschrieben, erzählt der Boss seinen Anhängern. Und an die „Five-and-Dime“-Billigwarenläden, die er in „Local Hero“ besinge, könne sich ja wohl kaum noch jemand erinnern. Springsteen, der Held der Arbeiterklasse, legt damit den Finger in die Wunde: Die Inflation bildet im Wahljahr das bestimmende Thema in den Vereinigten Staaten.

US-Verbraucher unter Druck

Wie schwer die Teuerung auf Verbrauchern niedriger Einkommensklassen lastet, bekommen die Nachfolger der „Five-and-Dimes“ – Ketten wie Dollar General und Dollar Tree – zu spüren. Diese versuchen sich zwar an einer territorialen Expansion, fallen hinsichtlich der Erlösentwicklung aber stark gegenüber größeren Rivalen wie Walmart und Target ab, die sich in den vergangenen Jahren zunehmend auch eine zahlungskräftigere Kundschaft erschlossen haben.

Das einkommensschwache Publikum, dessen Schicksale der Boss so eindrücklich besingt, hält sich mit Ausgaben für jegliche Extravaganzen zurück – zu denen inzwischen auch ein Springsteen-Konzert gehört. Wer sich auf den offiziellen Resale-Plattformen eins der Festival-Tickets sichern will, muss dafür inklusive Steuer schnell 550 Dollar blechen. Damit kommt er gegenüber einer vollständigen, bis zu fünf Stunden andauernden Springsteen-Show noch günstig weg, zumal im Paket auch Auftritte von Künstlern wie Norah Jones und Kool & the Gang enthalten sind.

Springsteen will seine Heimat wiederbeleben

Doch schon die Fahrt mit Zug und Bus von New York zum Festival zeigt, wie stark abgehängt ganze US-Gemeinden infolge der Inflation sind. Marode Shopping-Malls, deren Betreiber die Hoffnung auf eine Wiedereröffnung längst aufgegeben haben dürften, prägen das Bild, die Straßen und Restaurants in Orten wie Red Bank sind sonntags zur besten Zeit leergefegt. Der Boss will mit seinen Auftritten in der Region indes dazu beitragen, seine Heimat wiederzubeleben – und damit auch den amerikanischen Traum, dessen lebendes Monument er noch immer ist.

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