Buffett erhöht den Einsatz in Japan
Buffett erhöht den Einsatz in Japan
Wette auf Handelshäuser zielt auf Stärke bei Rohstoffen und auf hohe Ausschüttungen
Von Martin Fritz, Tokio
Vor 43 Jahren war Warren Buffett beim damaligen Sony-Chef Akio Morita in Tokio zu einem Sushi-Abendessen eingeladen. Doch der US-Investor schickte alle 15 Gänge unangetastet in die Küche zurück – er bevorzugt (bis heute) Hamburger von McDonald’s gegenüber rohem Fisch. „Ich werde nie wieder japanisch essen“, soll Buffett gesagt haben. Trotz des Traumas bekam er vor drei Jahren mächtigen Appetit auf Anteile von Japans Handelshäusern. Seine Berkshire Hathaway erwarb jeweils rund 5% von Itochu Corp, Mitsui & Co, Mitsubishi Corp, Sumitomo Corp und Marubeni Corp. Im Vorjahr stockte er die Anteile auf je 7,4% auf. Als Ziel nannte er bis zu je 9,9%, die er langfristig halten will. „Ich bin hocherfreut, mich an der Zukunft von Japan zu beteiligen“, sagte Buffett damals. Sein Einsatz zahlte sich bereits voll aus: Teilweise hat Buffett seine mutmaßlichen Einstandspreise verdoppelt, dazu kamen üppige Dividenden. Seine Investitionen finanzierte er währungsneutral mit mehreren Yen-Anleihen für insgesamt 1,2 Bill. Yen (8 Mrd. Euro).
Die große Frage lautet: Sollten Aktienanleger dem bekanntermaßen guten Riecher von Buffett folgen und ebenfalls bei den Handelshäusern oder anderen Value-Titeln in Japan einsteigen? Sein Japan-Engagement löste jedenfalls eine hohe Kaufwelle aus: In der Woche vom 10. bis 14. April sammelten Auslandsinvestoren japanische Aktien für 1,05 Bill. Yen (7 Mrd. Euro) ein, so viel wie in keiner Woche seit November 2013.
Schwer durchschaubar
Analysten beäugen die Handelshäuser skeptischer, da ihre weitläufigen Geschäfte kaum zu durchschauen sind. Die japanische Bezeichnung Sōgō Shōsha lässt sich als „diversifiziertes Handelskonglomerat“ übersetzen. Im Schnitt haben die fünf Häuser je 65.000 Beschäftigte, 350 integrierte Tochterfirmen, Hunderte angegliederter Gesellschaften und Vertretungen in aller Herren Länder. Jedes Konglomerat handelt mit durchschnittlich 30.000 Produkten von „Nudeln bis zu Flugzeugen“ und „Essstäbchen bis zu Satelliten“. Zusammen generieren sie geschätzt bis zu 15% des japanischen Bruttoinlandproduktes.
Die Wurzeln der Handelshäuser liegen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als sie für die junge rohstoffarme Industrienation Metalle und Kohle importierten und ein Handelsnetz im Ausland aufbauten. Ab dem Zweiten Weltkrieg beschafften sie als Supergroßhändler Rohstoffe, Brennstoffe und Technologien für die japanische Industrie und rationalisierten die Warenverteilung zwischen verarbeitendem Gewerbe und nachgelagertem Einzelhandel. Als eine Folge davon hält Mitsubishi 50,1% der Mini-Supermarktkette Lawson mit fast 18.000 Filialen, Itochu besitzt 50,1% der Familymart-Kette mit 25.000 Filialen. Gleichzeitig vermarkten sie die Produkte japanischer Unternehmen in Übersee.
Große Infrastrukturprojekte
Als zweiten Schwerpunkt organisieren die Handelshäuser große Infrastrukturprojekte. Sie arrangieren Eigen- und Fremdkapital, beteiligen sich an Entwicklungsprojekten, übernehmen Unternehmen, bilden Joint Ventures, finanzieren Start-ups und erhalten dabei tiefe Einblicke in neue Technologien. Marubeni zum Beispiel investierte binnen weniger Jahre in Kupfer- und Eisenerzbergwerke, Offshore-Ölfelder, einen Gasversorger, die Fütterung und Verarbeitung von Geflügel, Solarfarmen, Flüssiggasschiffe, Cloud-Computing- und Logistikdienste. Die Stärken von Mitsubishi liegen in Kokskohle und Flüssiggas, der Autoindustrie in Asien und dem Nahrungsgroßhandel. Mitsui konzentriert sich auf Eisenerz, Rohöl, Flüssiggas sowie Agrarwaren. Itochu legt das Augenmerk auf Lebensmittel, Textilien, E-Commerce und China. Sumitomo bildete die Schwerpunkte Medien, Röhren, Leasing, Nickel, Blei und Zink.
Analysten beobachten die Rohstoffpreise und das Handelsumfeld, um die Gewinnentwicklung der Handelshäuser einzuschätzen. Nomura-Analyst Yasuhiro Narita erwartet für 2023 einen durchschnittlichen Ertragsrückgang von 22%. Die Auflösung von Versorgungsengpässen durch Pandemie und Ukraine-Russland-Krieg sowie eine Aufwertung des Yen würden die Handelsmargen beeinträchtigen. Aber verstärkte Rückkaufprogramme und eine durchschnittliche Dividendenrendite von 4,1% sollten nach seiner Ansicht die Aktienkurse stützen.
Buffetts Investment ist ein Vertrauensvotum in Japans Wachstumsstory in Asien, bei der die Handelsunternehmen eine zentrale Rolle spielen. Auch bieten die Sōgō Shōsha als integraler Bestandteil der globalen Rohstoffmärkte eine gute Absicherung gegen Inflation, weil ihre Gewinne mit den Energiepreisen steigen. Nach Ansicht des Japan-Ökonomen Jesper Koll werden sie eine Schlüsselrolle spielen, wenn westliche Unternehmen ihr Asiengeschäft weg von China und zurück nach Japan diversifizieren.
Eine Unsicherheit für Anleger liegt in der Ausrichtung der Energiestrategie. Nach der Finanzkrise 2008/9 verlagerten die Handelshäuser ihre Aktivitäten auf neue Felder wie Gesundheit, Immobilien, Supermärkte und erneuerbare Energien, um beim Gewinn unabhängiger von den Rohstoffpreisen zu werden. Mitsui verkaufte viele Kohlebergwerke, Itochu expandierte in den Textilbereich. Sumitomo Corp gab Schiefergas auf und stieg in europäische Windparks ein. Mitsubishi entwickelt die Offshore-Windkraft zum wichtigsten Standbein. Diese Umbauten waren so erfolgreich, dass laut Nomura-Schätzung die Gewinne aus Rohstoffen sowie allen anderen Geschäften 2023 in der Summe jeweils gleich hoch ausfallen werden. Doch der Ukrainekrieg könnte das Kalkül der Handelshäuser ändern, weil die Regierung die nationale Energiesicherheit gefährdet sieht. Sie folgten dem Exodus westlicher Öl- und Gasriesen wie Shell und Exxon Mobil nicht und behielten ihre Anteile an Projekten in Russland. Ende April erwarb Mitsui 92% eines US-Erdgasfeldes, weil Gas eine „wichtige Rolle beim Übergang zu erneuerbaren Energien spielen wird“. Zuvor hatten die G7-Energieminister erklärt, dass Investitionen in Erdgas eine „angemessene“ Antwort auf den Ukrainekrieg und konsistent mit ihren Klimazielen seien. Buffett könnte versuchen, die Handelshäuser stärker hin zu fossilen Energien zu lenken. In dieses Bild passt, dass Berkshire Hathaway im März ihren Anteil am US-Erdölproduzenten Occidental Petroleum um zwei Punkte auf 23,5% erhöhte.