Carbon Transition birgt kaum inflationäre Gefahren
Von Kai Johannsen, Frankfurt
Der Übergang zu einer kohlenstoffarmen, bestenfalls kohlenstofffreien (Stichwort Net Zero), Wirtschaft und Gesellschaft ist in aller Munde – nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch an den Finanzmärkten. Finanzmarktteilnehmer, allen voran die Akteure auf den Fixed-Income-Märkten, interessieren sich dabei unter anderem dafür, inwieweit es durch diese Transitionsphase und ihre später etablierten Zustände zu preissteigernden und damit zu gesamtwirtschaftlichen Teuerungseffekten, also einer höheren Inflationsrate kommt.
Vielfach wird davon ausgegangen, dass der Übergang hin zu einer klima- und umweltfreundlicheren Wirtschaft mit erheblichen Kosten verbunden sein wird, was via Überwälzung schon die Teuerung antreiben sollte. Eine Studie des zu BNY Mellon gehörenden Assetmanagers Insight Investment, die der Börsen-Zeitung exklusiv vorliegt, zeigt nun, dass hier deutlich differenziert werden sollte. Während der Phase des Übergangs sind leichte preissteigernde Effekte, also inflationäre Tendenzen zu erwarten, die in einzelnen Bereichen auch sehr unterschiedlich ausfallen. Später – also Post-Transition – wirken die unternommenen Aktivitäten allerdings preismindernd, also deflationär. So gehen die Experten davon aus, dass es während der Übergangsphase zu einem globalen Einfluss auf die Inflationsrate von in etwa 40 bis 60 Basispunkten (BP) kommen wird. Der größte Teil entfalle dabei auf den Energie-/Elektrizitätsbereich mit 15 bis 25 BP, gefolgt von der Landwirtschaft mit 10 bis 20 BP. Andere Bereiche wie Versicherer sollten nach Einschätzung der Analysten dagegen überhaupt keine Inflationswirkungen entfalten. Nach dem Übergang (Post Transition) kommt es dagegen zu einer deflationären Wirkung auf die globale Teuerungsentwicklung in der Größenordnung von 35 bis 45 BP, wiederum angeführt vom Energie-/Elektrizitätsbereich mit 25 bis 35 BP. Damit lässt sich in der Tendenz sagen, dass durch die Carbon Transition keine gravierenden Inflationseffekte hervorgerufen werden, die die Notenbanken in Form einer restriktiveren Geldpolitik zum Handeln zwingen würden, was selbst wiederum höhere Bondrenditen als Reaktion hierauf bedeuten würde. Langfristig sind preismindernde Wirkungen zu erwarten, wobei hierbei zu berücksichtigen ist, dass diese Post-Transition-Phase verständlicherweise von einer längeren zeitlichen Dauer sein wird als die Transition-Phase.
Den Übergang zu netto null CO2-Emissionen ordnen die Experten von Insight Investment als ein globales Phänomen ein. Es werde weitreichende Verpflichtungen geben, um darüber erhebliche Emissionsminderungen in verschiedenen Sektoren zu realisieren, insbesondere im Energiebereich. Die Energiepreise dürften ihrer Ansicht nach während des Übergangs aufgrund der erforderlichen Anfangsinvestitionen und des generellen Potenzials für höhere Preise der fossilen Brennstoffe zunächst etwas steigen, bevor sie dann fallen, wenn erneuerbare Energiequellen ausgebaut und vorangetrieben werden, die dann insgesamt niedrigere Energiepreise zur Folge haben werden – heißt es in der Studie weiter.
Die Experten differenzieren bei ihren Analysen nach verschiedenen Parametern, so etwa regional. Die Länder, die ihrer Ansicht nach am anfälligsten für Energiepreisinflation sind, sind Spanien, Thailand, Japan und Indien aufgrund ihrer Abhängigkeit von Energieimporten und der relativ geringen Nutzung erneuerbarer Energiequellen. Kanada und Brasilien hätten dagegen das geringste relative Inflationsrisiko durch die CO2-Umstellung. Die EU und die USA liegen ihrer Einschätzung nach in dieser Hinsicht im Mittelfeld. China sei aufgrund der mangelnden Transparenz bezüglich der Zusammensetzung des Warenkorbes zur Ermittlung der Konsumentenpreise schwieriger einzuschätzen.
Die Experten differenzieren des Weiteren bei ihren Analysen nach verschiedenen Sektoren, und dort seien die Auswirkungen unter-schiedlich einzuschätzen. Im Transportwesen würden die höheren Stückpreise von Elektrofahrzeugen im Vergleich zu herkömmlichen Au-tos bedeuten, dass bei steigenden Verkaufszahlen der höhere durchschnittliche Fahrzeugpreis inflationär wirken könnte. Da es Initiativen gibt, die Emissionen im Luftverkehr zu reduzieren, sollte nach Einschätzung von Insight Investment die Preisentwicklung für Flugtickets nach oben weisen.
Die Agrarpreise dürften den Experten zufolge wohl stärker mit dem Ölpreis korrelieren, da die Produktion fossiler Brennstoffe durch Biokraftstoffe ersetzt werde, was möglicherweise die Düngemittelpreise in die Höhe treibe. Regierungen könnten den Experten zufolge auch versucht sein, Methanemissionen zu bekämpfen, entweder durch Erhöhung der Kosten der Methanproduktion oder durch eine gewisse Abschreckung des Rindfleischkonsums. Diese Effekte würden aber wahrscheinlich nach der Übergangsphase verblassen. Andere Rohstoffe, wie Kunststoff und Stahl, können höheren Betriebskosten ausgesetzt sein, aber die Auswirkungen auf die Inflation dürften wohl eher moderat ausfallen.
Ein großer Unsicherheitsfaktor bleibt laut Insight Investment die Regierungspolitik. Denn die Regierungen könnten etwa zu zwei Maßnahmen ergreifen. CO2-Steuern könnten die preissteigernd wirken. Dagegen könnten Subventionen dazu führen, dass die inflationären Auswirkungen des Übergangs verringert werden.