Carpe diem
Seit langer Zeit sucht die Deutsche Lufthansa nach einer guten Gelegenheit in Italien. Und seit langer Zeit durfte sie stets sicher sein, mit offenen Armen empfangen zu werden. Denn die über Jahrzehnte notorisch defizitäre Alitalia gewann auch mit milliardenschweren staatlichen Kapitalspritzen und selbst unter den Fittichen von Etihad nie eine Flughöhe, die den italienischen Steuerzahlern Hoffnung machen konnte, dass die stetigen Stützungsmaßnahmen ein Ende haben könnten. Allerdings war die Lufthansa nie bereit, in die Bresche zu springen, um ihrerseits Geld in ein Fass ohne Boden zu pumpen.
Letztlich zog der italienische Staat doch die Reißleine und schuf damit die Voraussetzungen, an die die Lufthansa stets einen Einstieg geknüpft hatte: Die Alitalia-Nachfolgerin Ita warf nicht nur die Schulden der Vorgängerin ab, sondern startete mit deutlich schlankerer Kostenbasis. Mit einem finanziell schlagkräftigen Investor wie der Containerreederei MSC an ihrer Seite heißt es für die Lufthansa nun: Carpe diem. Sie hat die Chance, frühzeitig in die strategische und operative Ausrichtung von Ita einzugreifen und die Airline in das Konzernnetzwerk einzubinden.
Zubringerflüge für die MSC-Nischensparte Kreuzfahrten dürften dabei von ganz untergeordneter Bedeutung sein. Italien ist gleichwohl ein lukrativer Markt für den touristischen Luftverkehr, wobei die Schwäche von Alitalia über Jahre zum Einfallstor für die europäischen Low-Cost-Carrier geworden ist. Ryanair ist in Italien mit Abstand Marktführer auf den Touristikrouten sowie im Inlandsverkehr. Hier müsste Lufthansa gegen starke Konkurrenz antreten.
Ein nahezu freies Feld bietet dagegen die Langstrecke, auf der Ita eingebunden in ein Netz von attraktiven Hub-Standorten wie Frankfurt, München, Wien und Zürich erhebliche Wachstumschancen nutzen kann. Das gilt besonders für die Geschäftsverkehre ab Rom und Mailand, wo die Ita attraktive Slots besitzt.
Als Kaufpreis wird italienischen Regierungskreisen zufolge eine breite Spanne zwischen 700 Mill. und 1,4 Mrd. Euro aufgerufen. Für die Lufthansa dürfte die Höhe einer Kapitalbeteiligung davon abhängen, dass hier eine moderate Bewertung zustande kommt. Denn die erhoffte Gelegenheit kommt für die Airline nicht zu allerbesten Zeitpunkt. Noch immer sind in der Pandemie turmhohe Verluste zu finanzieren, so dass sich anderweitig erhebliche Mittelabflüsse verbieten. Nicht zuletzt hat der Staat noch ein Wörtchen mitzureden, solange das Aktienpaket des Bundes noch nicht den Besitzer gewechselt hat.