Chaos um New Yorks Polizei zeigt Risiken schlechter Governance
Notiert in New York
New Yorks Polizei im Chaos
Von Alex Wehnert
Die Polizei in den Five Boroughs gibt dieser Tage ein konfuses Bild ab. Mitte September musste Edward Caban, als Commissioner ranghöchster Vertreter des New York City Police Department (NYPD), nach nur 15 Monaten im Amt wegen Korruptionsermittlungen seinen Posten räumen – sein interimsweise eingesetzter Nachfolger Thomas Donlon kämpft nach etwas mehr als einer Woche ebenfalls mit einer Krise.
Geheimdokumente beschlagnahmt
So standen bei dem 71-Jährigen am Wochenende Agenten des Federal Bureau of Investigation (FBI) vor der Tür und beschlagnahmten Geheimdokumente, die nach Angaben Donlons rund 20 Jahre zuvor in seinen Besitz gekommen waren. Wiewohl der Interims-Commissioner die Bedeutung der Razzia für seine Arbeit beim NYPD herunterzuspielen sucht, fügt er sich damit ins Chaos einer Behörde ein, die in den Fokus mehrerer Bundesermittlungen geraten ist – was auf politischer Ebene hohe Wellen schlägt. „Wenn dieser Bürgermeister niemanden ernennen kann, dem nicht sofort eine FBI-Durchsuchung droht, sollte er zurücktreten“, fordert Emily Gallagher, demokratische Vertreterin im Unterhaus des Staates New York, mit Blick auf ihren Parteifreund Eric Adams, der seit 2022 im Rathaus sitzt.
Der 64-Jährige ist der erste New Yorker Bürgermeister seit dem 1932 nach Korruptionsvorwürfen zurückgetretenen James J. Walker, der innerhalb einer Amtszeit drei Polizeichefs einsetzen musste. Wie handlungsfähig sein neuer „Commish“ ist, steht nun im Zweifel. Denn das NYPD besitzt als größte Polizeibehörde der Vereinigten Staaten einen einzigartigen Fokus und muss sich in Fragen der nationalen Sicherheit oder internationalen Angelegenheiten wie der UN-Generalversammlung in der laufenden Woche stetig mit Bundesbehörden koordinieren. Ein Chef, der selbst in Bundesermittlungen verwickelt ist, passt da schlecht ins Bild.
Parallelen zur Privatwirtschaft
Das Chaos beim NYPD und in Adams’ Verwaltung sehen Kritiker als Paradebeispiel schlechter Governance, die auch in der US-Privatwirtschaft ein bedeutendes Problem darstellt. Während der Bürgermeister in der Kritik steht, mit Aktionismus um Machterhalt zu ringen und das Bürgerinteresse zu vernachlässigen, müssen sich CEOs wie Elon Musk wiederholt Vorwürfe gefallen lassen, persönliche Agenden zu verfolgen, statt im Auftrag ihrer Aktionäre zu handeln. So drückte Musk im laufenden Jahr einen Abzug der Eintragung von Tesla als Kapitalgesellschaft aus Delaware durch – der Bundesstaat lockt Unternehmen mit niedrigen Steuern, doch ein dortiges Gericht hatte im Januar ein Rekord-Vergütungspaket für den Milliardär gekippt. Zudem kritisieren Beobachter wiederholt die in der US-Wirtschaft verbreitete Verschränkung der Rollen von Vorstands- und Verwaltungsratschef.
Wichtiger als andere ESG-Faktoren
Dabei ist Governance US-Investoren weit wichtiger als die anderen ESG-Faktoren – zumindest gemessen am jüngsten Abstimmungsverhalten führender Vermögensverwalter auf Hauptversammlungen. So hat Blackrock in den zwölf Monaten bis Ende Juni nur 4% der 493 Aktionärsinitiativen zu Umwelt- und Sozialaspekten unterstützt, die ihr vorlagen – 2021 waren es noch 47%. Konkurrentin Vanguard votierte 2024 indes mit keiner der 400 Umwelt- und Sozialinitiativen, die sie prüfte. Dagegen stimmte der Assetmanager aus Pennsylvania immerhin für 51 von 187 Governance-Vorstößen. Bei Blackrock waren es 79 von 374 Initiativen, ein Zuwachs um 11% gegenüber dem Vorjahr. Wären das NYPD und die Stadt New York börsennotierte Unternehmen, würde es auf ihren Hauptversammlungen wohl solche Anträge hageln – so müssen Governance-Verfechter aber darauf hoffen, dass die Bürgermeisterwahl 2025 Besserung bringt.