LEITARTIKEL

Cheerleader in Davos

Dieser Ausflug in die Schweizer Berge war ganz nach dem Geschmack von US-Präsident Donald Trump. Bei seinem kurzen Auftritt am World Economic Forum (WEF) in Davos war er der unumstrittene Star, dem schon vor seinem Eintreffen in dem Alpendorf alle...

Cheerleader in Davos

Dieser Ausflug in die Schweizer Berge war ganz nach dem Geschmack von US-Präsident Donald Trump. Bei seinem kurzen Auftritt am World Economic Forum (WEF) in Davos war er der unumstrittene Star, dem schon vor seinem Eintreffen in dem Alpendorf alle Aufmerksamkeit galt. Als Trump am Donnerstagabend dann endlich da war, tanzte auch gleich alles nach seiner Pfeife. Zum Beispiel die britische Premierministerin Theresa May, der der US-Präsident noch vor kurzem via Twitter sinngemäß mitteilte, sie möge sich um ihren eigenen Kram kümmern. In Davos saß die britische Regierungschefin nach einem kurzen Privatissimum tapfer neben Trump und hörte zerknirscht lächelnd zu, wie er vor Medienvertretern erklärte, dass das Verhältnis der beiden nicht nur ungetrübt sei, sondern auf gegenseitigen Sympathien beruhe. May nickte eilig, obwohl ihre Gesichtszüge verrieten, dass sie gerade über einen Brexit an Ort und Stelle nachdachte.Auch die internationale Wirtschaftselite hat ein Jahr nach der Vereidigung von Trump längst verstanden, dass es für alle Beteiligten das Beste ist, an der Sympathie für den US-Präsidenten und der Begeisterung für seine Politik keine Zweifel zuzulassen. Wer schlau ist, hat immer eine zitierfähige Geschichte dabei, in der die von Trump durchgesetzte Steuerreform, Milliardeninvestitionen in den USA und viele neue Arbeitsplätze die Hauptrolle spielen. Bestnoten verdiente sich in Davos in dieser Disziplin unter anderem Siemens-Chef Joe Kaeser, der Trump beim kurzfristig organisierten Abendessen mit CEOs vor laufenden Kameras nicht nur artig zur gelungenen Reform gratulierte, sondern in diesem Zusammenhang auch Milliardeninvestitionen für die Entwicklung einer neuen Generation von Gasturbinen in den USA ankündigte. Nicht umsonst hatte Trumps Stab Kaeser an der Tafel direkt neben den Präsidenten platziert.Die Gewerkschaft in Deutschland, wo in dieser Siemens-Sparte Arbeitsplätze gestrichen werden, zeigte sich tags darauf wenig begeistert. Die Entwicklung der Turbinen in Charlotte im US-Bundesstaat North Carolina stehe mit den für Deutschland angekündigten Einschnitten in keinerlei Zusammenhang, entgegnete der Dax-Konzern. Außerdem gilt mit Blick auf den für Siemens wichtigsten Ländermarkt USA: Besser eine erboste Pressemeldung der IG Metall als ein böser Tweet von Donald Trump. Vor dem gleichen Hintergrund gaben auch die Chefs von Adidas, Bayer und Thyssenkrupp beflissen Auskunft über ihre US-Pläne und freuten sich wie Schuljungen, wenn der US-Präsident das beim gemeinsamen Dinner mit einem “great job” quittierte.Bill McDermott, der US-Manager an der Spitze des deutschen Softwarekonzerns SAP, saß auf dem Platz rechts neben Trump, weil First Lady Melania den Ausflug nach Davos kurzfristig abgesagt hatte, und füllte seine Rolle ebenfalls perfekt aus. Trump habe frischen Schwung in die Weltwirtschaft gebracht, erklärte McDermott und bedankte sich für die Einladung. Er sei auch deshalb stolz, mit dabei zu sein, weil die amerikanische Armee und die US-Marine Produkte von SAP verwenden, positionierte sich der Manager als geschäftstüchtiger Patriot. Wer immer im Stab des US-Präsidenten die Gästeliste für diese Zusammenkunft mit CEOs erstellt hatte, konnte sein Glück wahrscheinlich kaum fassen. Denn Trump, der sich in Davos als “Cheerleader” für den Wirtschaftsstandort USA einführte und der Doktrin “America First” dabei einen gefälligeren Anstrich gab, war von lauter Cheerleadern aus dem Dax umgeben.In solchen Runden fühlt sich der Immobilienunternehmer a. D. am wohlsten, weshalb Trump zu Beginn seiner Amtszeit zwei Beratergremien ins Leben gerufen hatte, die er mit Spitzenkräften aus der US-Wirtschaft besetzte, um mit den CEOs regelmäßig über Strategiefragen zu beraten. Im Sommer wurden beide Gremien kurzerhand aufgelöst, nachdem es zuvor zu einer Austrittswelle der Unternehmenschefs gekommen war, weil Trump zu Ausschreitungen von Rechtsextremen im Universitätsstädtchen Charlottesville nur zögerlich Position bezogen hatte. Dass die Chefs von Dax-Konzernen ihre Verbindungen zum mächtigsten Mann der Welt pflegen, ist im Sinne aller Stakeholder. Wer sich so bereitwillig wie die deutschen Firmenchefs in Davos dafür hergibt, neben Trump mit gehobenem Daumen zu posieren, sollte zuvor aber auch die damit verbundenen Reputationsrisiken bedenken und darf sich jedenfalls nicht wundern, wenn 2021 in Davos wieder vor laufender Kamera zum Rapport gerufen wird.——–Von Stefan ParaviciniAm Weltwirtschaftsforum tanzt alles nach der Pfeife von Donald Trump. Auch fünf CEOs aus dem Dax, die sich als Cheerleader des US-Präsidenten bewähren.——-