Chemie sieht schwarz und rot
Branchenkonjunktur
Chemie sieht schwarz
Von Sabine Wadewitz
Für die Chemieindustrie kommt es knüppeldick. Der Branche brechen Aufträge weg, dazu ächzen die Betriebe unter hohen Energie- und Rohstoffkosten. Viele Firmen müssen ihre Produktion drosseln, was bei großen Anlagen kein leichtes Unterfangen ist. Besonders hart getroffen sind die Anbieter von Grundchemikalien, aber auch in der weniger zyklischen Spezialchemie geht es deutlich abwärts.
Ein Ende der Misere ist nicht in Sicht, die Hoffnungen auf eine Erholung in der zweiten Jahreshälfte sind verpufft. Weder im Ausland noch im Inland gibt es Impulse. Für die deutschen Chemieunternehmen kürzt der Branchenverband VCI deshalb die ohnehin düstere Prognose für das Jahr nochmal deutlich. Am besten steht die pharmazeutische Industrie da, aber auch hier herrscht Stagnation.
Zwar spüren die Unternehmen in einem zentralen Kostenthema durchaus Entlastung. Die Energiepreise sind deutlich rückläufig, sie liegen aber immer noch höher als 2019, also vor Pandemie und Angriffskrieg auf die Ukraine. Dazu kommt, dass die im internationalen Vergleich höheren Energiepreise für die deutschen Anbieter einen gravierenden Wettbewerbsnachteil darstellen. Das gilt nicht nur beim Blick auf die USA und China, sondern auch auf andere europäische Länder. Für die energieintensive Branche Anlass, ihre Investitionspläne zu überdenken und Ressourcen zu verlagern.
Mit Blick auf das schwache konjunkturelle Umfeld sorgen die Absatzprobleme großer Kundengruppen für eine Erosion der Nachfrage in der Chemie. In der Bauindustrie gehen die Neuinvestitionen mit dem Zinsanstieg deutlich zurück. Konsumenten sind verunsichert und geben ihr Geld allenfalls für Reisen und Freizeit aus, aber nicht für größere Anschaffungen. Die Autoindustrie hatte im Nachlauf zur Coronazeit noch Lichtblicke zu bieten, bremst im Vergleich zum starken Vorjahr aber auch deutlich ab. Alles in allem schlechte Vorzeichen. Denn selbst wenn die Abnehmer damit beginnen müssen, ihre Läger wieder zu füllen, dürfte die Aufstockung absehbar nicht wieder auf dem Niveau landen, das die Chemie nach Durchschreiten der Talsohle erhofft hatte.
In diesem schwierigen Szenario kann es nicht überraschen, dass die Branche nicht nur schwarz, sondern auch rot sieht und mit Vehemenz politische Defizite ankreidet. Man kann sich zwar nicht daran erinnern, dass wortgewaltige Branchenvertreter jemals in ihrer Kritik an Regulierung, Bürokratie und Steuersätzen pausiert hätten. Aber diesmal haben sie wirklich einen Punkt: Dass die Ampel-Koalition im Ausbau erneuerbarer Energie ihre eigenen Ziele eklatant verfehlt, ist wirklich fatal – nicht nur für die Chemieindustrie.