Im Blickfeld Konsolidierungszwang bei Wertpapierhäusern

Chinas Broker-Riesen werden zur Heirat gebeten

Mit Guotai Junan Securities und Haitong Securities sollen zwei der größten chinesischen Wertpapierhäuser fusionieren. Peking setzt auf Merger, um nationale Champions heranzuzüchten, die auch im globalen Wettbewerb vorne mitmischen können. Die Hindernisse sind allerdings beträchtlich.

Chinas Broker-Riesen werden zur Heirat gebeten

Chinas Broker-Riesen werden zur Heirat gebeten

Mit Guotai Junan und Haitong sollen zwei der größten chinesischen Wertpapierhäuser fusionieren. Peking setzt auf Merger, um nationale Champions heranzuzüchten.

Von Norbert Hellmann, Schanghai

In Chinas umtriebiger Finanzszene kommt man auf eine enorm hohe Zahl von 120 überwiegend staatskontrollierten Wertpapierhäusern, denen Peking schon seit längerem eine Konsolidierung zugedacht hat. Dahinter steht der Gedanke, schlagkräftigere Einheiten zu formen, die es im Idealfall sogar mit den großen globalen Investmentbanken aufnehmen können.

Nur ein erster Streich

Es hat lange, nein sehr lange gedauert, bis aus vagen Absichtserklärungen des Staatsrates und der Wertpapieraufsichtsbehörde, die bis ins Jahr 2008 zurückreichen, etwas Konkretes entstanden ist. Nun aber soll mit dem Merger von Guotai Junan Securities und Haitong Securities zum dann größten vorläufig größtem chinesischen Broker ein Anfang gemacht werden, dem nach und nach weitere Zusammenschlüsse folgen dürften.

Aus Guotai Junan und Haitong als gegenwärtige Nummer Zwei und Vier in der Branche würde ein neuer Marktführer mit Aktiva von umgerechnet knapp 240 Mrd. Dollar entstehen. Die beiden börsennotierten Adressen haben ihren Hauptsitz in Schanghai und werden im Aktionärskreis von Investmentvehikeln der Schanghaier Provinzregierung maßgeblich kontrolliert. Das erleichtert das über einen Aktienswap angegangene Prozedere.

Citic soll weiter aufrüsten

Der bisherige Platzhirsch Citic Securities, ein Ableger des weitschweifenden Staatskonglomerats Citic Group, kommt auf etwa 205 Mrd. Dollar. Aller Voraussicht nach aber soll auch Citic Securities mit einer Merger-Lösung weiter aufgerüstet werden. Derzeit laufen Spekulationen, dass hinter den Kulissen eine Verbindung mit China Securities angestrebt wird, die mit Assets von rund 75 Mrd. ihrerseits zu den zehn größten Branchenadressen in China zählt. Eine weitere Kombination, über die Marktteilnehmer nun besonders eifrig tuscheln, würde die von ihrem Geschäftsmodell her stärker einer westlichen Investmentbank gleichenden China International Capital Corp. (CICC) mit dem reinen Wertpapierhaus Galaxy Securities vermählen.

Peking zieht die Fäden

Wie in China üblich, braucht es einen Anstoß der Parteiführung, um die Dinge in Bewegung zu bringen. Anfang November, nach der nur alle fünf Jahre abgehaltenen Central Financial Work Conference, mit der die Partei Leitlinien für den Finanzsektor abgesteckt, wurde die Schaffung „erstklassiger Investmentbanken“ als Losung ausgegeben. Kurz danach versprach der zuständige Regulator China Securities Regulatory Commission (CSRC) Unterstützungsaktionen, um Restrukturierungen, Merger oder Akquisitionen im Kreis führender Institute zu fördern. Im März folgte dann die Absichtserklärung, bis 2030 zehn besonders schlagkräftige Investmentbanken heranzuzüchten, von denen zwei bis drei das Zeug haben sollen, auch in die internationale Spitzengruppe aufzurücken.

Weiter Abstand zu US-Größen

Von dem großen Ziel der globalen Mitführerschaft ist man freilich noch weit entfernt. Auch Guotai Junan und Haitong, oder eine Kombination von Citic und China Securities würden sowohl von der Größe, wie auch der Gewinnstärke her noch sehr weit hinter Investmentbanken vom Schlage einer Goldman Sachs, Morgan Stanley oder J.P. Morgan liegen.

Harte Zeiten im Aktienmarkt

Chinas Brokerszene macht im postpandemischen Konjunkturumfeld, das von starker Konsumzurückhaltung und vorsichtsbetonter Sparvorliebe geprägt ist, schwere Zeiten durch. Millionen vormals spekulationsfreudige Kleinanleger haben sich aus dem Aktiengeschehen immer weiter zurückgezogen. Angesichts der Langzeit-Baisse, die die Leitindizes an den Festlandbörsen nahe an ein Fünfjahrestief gebracht hat, leiden die Broker unter schwachen Börsenhandelsumsätzen bei eher geringer Volatilität.

IPO-Misere

Als Lichtblick gilt zwar ein schwungvollerer Bondhandel, aus dem heraus sich die Einnahmendelle im Aktienhandel und Aktienkapitalmarktgeschäft aber nicht annähernd kompensieren lässt. Auch sehen sich die Institute angesichts einer Durststrecke bei Börsengängen mit stark reduzierten Einnahmen aus der Betreuung von Initial Public Offering (IPO) konfrontiert. Darüber hinaus ist das Aktivitätsniveau bei Mergers& Acquisitions (M&A) sowie Venture-Capital-Finanzierungen stark verkümmert.

Verkappte Auffangaktion

Insbesondere Haitong hatte zuletzt Ertragseinbrüche zu beklagen. In der ersten Jahreshälfte 2024 schrumpften die Gewinne um 75% auf 953 Mill. Yuan (122 Mill. Euro). Bei Guotai Junan steht ein Gewinnrückgang um 13% auf knapp 5 Mrd. Yuan zu Buche. Beim Marktführer Citic Securities reduzierte sich der Gewinne um gut 6% auf 10,6 Mrd. Yuan. Manche wähnen den ersten geplanten Merger weniger als vielversprechenden Schritt zum nationalen Branchen-Champion, denn als eine Art Auffangaktion für die angeschlagen und unterkapitalisiert wirkende Haitong.

Babyschritte

Angesichts der marktbedingten Herausforderungen sehen Analysten durchaus einen Sinn in Fusionen, die zu signifikanten Kosteneinsparungen führen könnten. Mit Blick auf weitgehend überlappende Geschäftsfelder der in ihrer Organisationsstruktur sehr ähnlichen Häuser erwarten die Experten allerdings gewaltige Hürden beim Erzielen von komplementären Synergien.

Um den Häusern breitere Ertragsstandbeine und eine verlässliche Kapitalbasis zu sichern, braucht es noch gewaltige Anstrengungen und überzeugendere Fusionslösungen als die aus akuter Not geborenen. In Sachen Fitnessagenda der Brokerszene für den globalen Wettbewerb wird man auf absehbare Zeit nur mit Babyschritten vorankommen.  

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