Gegenwind für Krisengewinner
Containerschifffahrt
Gegenwind für Krisengewinner
Von Carsten Steevens
Reedereien sind blendend durch die Pandemiejahre gekommen. Nun, da die Dekarbonisierung ansteht, erodieren ihre Gewinne.
Sie gehörte zu den Krisengewinnern während der Corona-Pandemie: die Containerschifffahrt. Eine große Nachfrage nach Warentransporten durch den maritimen Sektor, der 80% des internationalen Frachttransports abwickelt, führte bei knappen Transportkapazitäten und gestörten Lieferketten zu exorbitant hohen Gewinnen und einer markanten Verbesserung des Finanzprofils. Anteilseigner der Reedereien freuten sich über blendende Dividenden. Kunden hingegen argwöhnten, der Wettbewerb in einer Branche, in der sich der Anteil der zehn größten Unternehmen an den weltweiten Transportkapazitäten nach einer Konsolidierungswelle zwischen 2014 und 2018 von 60% auf über 80% erhöhte, funktioniere nicht. Zudem wurde Kritik an der Besteuerung der Unternehmen laut.
Dass die Containerschifffahrt den längsten Abschwung ihrer Geschichte innerhalb weniger Jahre hinter sich ließ und in den Coronakrisenjahren Rekordergebnisse verbuchte, war ein weiterer Beleg für die Zyklizität ihres konjunktur- und handelsabhängigen Geschäfts. Mit dem Ende der Restriktionen infolge der Pandemie hat sich die Windrichtung für die Linienreedereien wieder gedreht. Die schrumpfende Nachfrage nach Containertransporten sowie eine Normalisierung der vorhandenen Transportkapazitäten aufgrund nachlassender Störungen in den globalen Lieferketten lassen Frachtraten und Ergebnisse der Branchenunternehmen seit rund einem Jahr rasant erodieren. Das gedämpfte weltweite Wirtschaftswachstum und eine längere Fortsetzung des Lagerabbaus bei Kunden haben zuletzt für einen pessimistischeren Marktausblick gesorgt.
Dass die Containerschifffahrt wieder in einen Sturm geraten könnte wie im Zuge der Finanzmarktkrise 2008, als ein Überangebot an Frachtraum und ein ruinöser Preiswettbewerb in eine mehrjährige Phase mit Fusionen, Übernahmen und auch Insolvenzen mündeten, ist indes aus heutiger Sicht nicht zu erwarten – auch wenn sich die von Reedereien erwartete neue Normalität bei Frachtraten und Ergebnissen noch nicht genau abschätzen lässt. Kapitalkosten werden weiterhin verdient. Der dänische Branchenzweite A.P. Møller-Mærsk etwa vermeldete für das zweite Quartal zwar eine im Vorjahresvergleich um 51% reduzierte durchschnittliche Frachtrate und ein um mehr als 80% gesunkenes operatives Ergebnis (Ebit). Verglichen mit dem gleichen Abschnitt im Vorpandemiejahr 2019 fiel das Ebit aber noch fast viermal höher aus, verglichen mit 2020 mehr als doppelt so hoch.
Die Aktienkurse börsennotierter Gesellschaften wie A.P. Møller-Mærsk und Hapag-Lloyd liegen trotz erheblicher Einbußen seit den Höchstständen im ersten Halbjahr 2022 noch deutlich über den Niveaus vor Beginn der Coronakrise. Die Carrier sind bestrebt, ein höheres Transportpreisniveau als vor der Pandemie durch mehr Langfristkontrakte mit Kunden zu sichern. Sie haben sich in den vergangenen Jahren breiter aufgestellt, etwa indem sie ihr Engagement in Bereichen mit geringeren Ertragsschwankungen wie dem Terminalgeschäft und bei Logistikdienstleistungen ausbauten. Zwar haben Reedereien seit 2020 wieder stärker in Ausbau und Modernisierung ihrer Flotte investiert – doch insgesamt maßvoll.
Es wäre absurd, sollte die Branche zu einem irrationalen Bestellverhalten mit fatalen Folgen für die Profitabilität wie in den Jahren nach der Finanzmarktkrise zurückkehren. Die Reedereien versichern zum einen seit Jahren, dass Wachstum um jeden Preis kein Selbstzweck und Größe allein nicht länger Trumpf sei, sondern es vielmehr darauf ankomme, sich durch die Qualität ihrer Angebote im Wettbewerb abzuheben. Zum anderen muss der Seeverkehrssektor, der für rund 3% des weltweiten Treibhausgasausstoßes verantwortlich ist, grüner werden – und deshalb weitsichtig handeln. Der Umweltausschuss der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO hat gerade ein ambitionierteres Ziel der Klimaneutralität für den Sektor weltweit bis 2050 vorgegeben. Zwar sollen konkrete Maßnahmen wie neue Kraftstoffstandards oder ein Preismechanismus für die maritimen Treibhausgasemissionen erst innerhalb der kommenden vier Jahre eingeführt werden. Doch immerhin haben die Containerreedereien klarere Signale erhalten, worauf sie sich bei der Erneuerung ihrer Flotten einstellen müssen.