KommentarAdnoc am Ziel

Covestro fügt sich dem Schicksal

Lohnende Hinhaltetaktik: Nach einem Jahr der Verhandlungen öffnet Covestro die Bücher für den staatlichen Ölkonzern Adnoc. Der Angebotspreis kann sich mehr als sehen lassen.

Covestro fügt sich dem Schicksal

Adnoc-Offerte

Covestro fügt sich dem Schicksal

Covestro ist es gelungen, den Preis für einen Verkauf in die Höhe zu treiben. Das ist keine Selbstverständlichkeit.

Von Annette Becker

Lange hat sich Covestro gegen die unerbetenen Übernahmeavancen von Adnoc, dem staatlichen Ölkonzern von Abu Dhabi, gewehrt. Nun öffnen die Leverkusener nolens volens ihre Bücher für den Investor aus dem Nahen Osten. Überraschend ist das nicht, hat Adnoc in den vergangenen Jahren doch bewiesen, über einen extrem langen Atem zu verfügen. Ein halbes Jahr länger oder kürzer, darauf scheint es den über tiefe Taschen verfügenden Ölscheichs nicht anzukommen.

Den Druck der Investoren konnte der Covestro-Vorstand jedenfalls nicht länger ignorieren, zumal die Aktionäre zwei Jahre in Folge keine Dividende erhalten haben. Erschwerend kommt hinzu, dass sich das Aktienkapital von Covestro vollständig im Streubesitz befindet. Zwar haben einige Investoren die meldepflichtige Stimmrechtsschwelle überschritten. Bei ihnen handelt es sich jedoch um Investmentfonds.

Klar ist natürlich, dass das in Aussicht gestellte Angebot von 62 Euro je Aktie oder 11,7 Mrd. Euro in Summe vorbehaltlich der Ergebnisse in der Due Diligence zu verstehen ist. Sollten bei der Buchprüfung überraschend negative Details ans Licht kommen, müsste wohl noch mal nachverhandelt werden. Danach sieht es allerdings nicht aus, schließlich handelt es sich um eine sogenannte Confirmatory Due Diligence, bei der viele Einzelheiten schon im Vorfeld geklärt wurden und die Annahmen nur noch bestätigt werden müssen.

Dennoch wäre es verfrüht, davon zu sprechen, dass der Deal perfekt ist. In den Verhandlungen geht es nämlich auch um Investitionszusagen und mutmaßlich den Erhalt einzelner Standorte. So ist auch die Kursreaktion zu verstehen: Wenngleich sich der Dax-Wert am Montag mit einem Kurssprung um 6,9% an die Indexspitze setzte, fehlt mit 53,86 Euro noch ein gutes Stück zu den gebotenen 62 Euro. Umgekehrt ist es den Verhandlern von Covestro gelungen, den Preis – ausgehend von einer ersten indikativen Offerte von 55 Euro – in die Höhe zu treiben. Die in Summe gebotenen 11,7 Mrd. Euro entsprechen einem Vielfachen des operativen Ergebnisses aus dem Vorjahr von stolzen 10,6.

Das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit, wenn man weiß, wie es um die wirtschaftliche Lage der deutschen Chemieindustrie bestellt ist. Es ist ja kein Zufall, dass sich Adnoc die Branchenkrise zunutze macht. Neben der wirtschaftlichen Flaute der Weltwirtschaft kommen hierzulande hohe Energiepreise hinzu, die an der Wettbewerbsfähigkeit dieser Schlüsselindustrie nagen. Und von einer nachhaltigen Erholung kann bis heute keine Rede sein.

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