Notiert in Moskau

„Da brauchen Sie nur einen Affen hinsetzen“

Im Dschungel zwischen EU-Sanktionsvorschriften und russischen Hürden erleben westliche Unternehmen in Russland teils absurde Situationen.

„Da brauchen Sie nur einen Affen hinsetzen“

Notiert in Moskau

Ein Affe genügt

Von Eduard Steiner

Trotz des Grauens im Ukraine-Krieg gibt es mitunter auch positive Nachrichten. 2023 wurde in Russland, wo im Sommer immer wieder Waldbrände wüten, so viel wiederaufgeforstet wie in den vergangenen 27 Jahren nicht. Ein Gebiet von 1,4 Mill. Hektar sei es gewesen, teilte der Leiter der Bundesforstagentur, Alexej Wenglinski, in dieser Woche mit. 2024 soll zumindest dasselbe Ausmaß erzielt werden.

Im Übrigen ist nach wie vor gerade von westlichen Wirtschaftstreibenden in Russland wenig Erfreuliches zu hören. Gefangen im Vorschriftendschungel der diversen Sanktionen und der Racheregulatorien seitens Russlands, erfrieren die Akteure oftmals in Schockstarre. Und nehmen die Situation nur noch als absurd wahr.

Ein Dauerbrenner ist, dass die Akteure aus Angst vor schlimmen Folgen zur Overcompliance neigen. Der Chef eines größeren europäischen Unternehmens ­– so ist der Börsen-Zeitung in einer Unterhaltung mit Managern dieser Tage zu Ohren gekommen – habe neulich geklagt, dass er keinen Kontakt zu seiner nach wie vor in Russland aktiven Konzerntochter mehr haben könne. Der Grund: Unternehmensberater hätten ihm davon abgeraten, weil jegliches Gespräch als Beratung und damit wiederum als Sanktionsverstoß gedeutet werden könne. Selbst über einen möglichen Rückzug aus Russland und einen Verkauf könne er sich nicht mehr offiziell mit den ortsansässigen Personen unterhalten.

In der Reihe von Aktionen und Überlegungen, zu denen die komplizierten Umstände führen, schoss übrigens ein Banker den Vogel ab. Und zwar in Bezug auf die noch in Russland tätigen ausländischen Banken. Da sie ja das erwirtschaftete Geld nicht aus dem Land bekommen und da sie selbst bei einem gewollten Verkauf des Russlandgeschäfts die Erlaubnis von Kremlchef Wladimir Putin brauchen und das Land selbst bei Vorliegen der Erlaubnis nur verlassen können, wenn der Käufer keinen westlichen Sanktionen unterliegt, sei die Situation schier aussichtslos, sagte er und fügte hinzu: Es sei fast schon sinnvoller, nichts mehr zu tun, das russische Kapital bei der dortigen Zentralbank zu parken und wegen des hohen Leitzinses von 16% eine satte Rendite einzufahren. Bei den im Land verbliebenen Großbanken wären das teils hohe dreistellige Millionenbeträge. „Da brauchen Sie dann nur noch einen Mitarbeiter. Und vielleicht brauchen Sie auch nur einen Affen hinsetzen, der das Geld überweist“, so der Banker.

Ein Unternehmensrückzug ist mit den Jahren übrigens wirklich immer hürdenreicher geworden. Daher hat er sich auch verlangsamt, wie das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) in einer neuen Studie schreibt. Interessant: Prozentual am häufigsten sind es skandinavische Unternehmen, Deutschland liegt mit etwa 11% ungefähr im globalen Schnitt. An der Tabellenspitze stehen die Vereinigten Arabischen Emirate, Südkorea, Iran, Griechenland und China. Kein einziges Unternehmen dieser Staaten hat Russland seit Kriegsbeginn verlassen.

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