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Damoklesschwert notleidende Kredite

Der Anteil fauler Finanzierungen an den Krediten ist in Europa langsam aber stetig rückläufig. Dennoch wird mit Argusaugen auf die NPL-Quote geschaut, und Brüssel finalisiert gerade eine Richtlinie.

Damoklesschwert notleidende Kredite

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Damoklesschwert notleidende Kredite

Der Anteil fauler Finanzierungen an den Krediten ist in Europa langsam, aber stetig rückläufig. Dennoch wird mit Argusaugen auf die NPL-Quote geschaut. Brüssel finalisiert gerade eine Richtlinie zur Verbesserung der Transparenz.

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Mit Spannung wird es erwartet, wenn die Europäische Zentralbank im Juli die Quoten für Non-Performing Loans (NPL) des ersten Quartals veröffentlicht. Geht der rückläufige Trend weiter oder kommt es zu einem Anstieg der notleidenden Kredite? Angesichts von Inflation, Zinssteigerung, wirtschaftlicher Unsicherheit und Krieg in Europa wäre das nicht verwunderlich. Doch bislang hat sich die Wirtschaft gemessen an den NPL-Quoten als widerstandsfähig erwiesen.

Die Quote notleidender Kredite blieb im vierten Quartal 2022 laut EZB mit 2,3% stabil. Dabei nahmen sowohl der Bestand an notleidenden Krediten als auch das Kreditvolumen ab, und zwar auf 339 Mrd. Euro und 14.873 Mrd. Euro. Unterschiede zeigen sich weiterhin zwischen den Staaten der Eurozone. In Deutschland liegt die Quote bei 1% und in Frankreich bei 1,9%. Deutlich über der Marke von 2% sind die Werte in Italien und Spanien, die allerdings Ende 2021 noch mehr als 3% betrugen. An der Spitze rangiert weiterhin mit 4,6% Griechenland, ebenfalls mit einer deutlichen Verbesserung im Vergleich zu Ende 2021, als die Quote bei 7% lag.

Ein wichtiger Indikator für ein steigendes Risiko ist neben der NPL-Quote auch der Anteil der aggregierten Stufe-2-Kredite, der sich zum Ende 2022 auf 9,6% nach 9,8% im Vorquartal verringerte. Wertmäßig belief sich der Bestand an Krediten der Stufe 2 auf 1.381 Mrd. Euro. Bei den nach den IFRS-Rechnungslegungsvorschriften als Stufe 2 eingestuften Darlehen handelt es sich um Finanzierungen, deren Risiko erheblich gestiegen ist, die aber noch nicht als wertgemindert gelten.

Regulierung auf der Zielgeraden

Mit der Richtlinie über notleidende Kredite (NPL Directive) hat die EU einen Rahmen geschaffen, der sowohl den Verkauf von Portfolios als auch Verbriefungen durch mehr Transparenz und bessere Daten erleichtern soll. Verbunden ist dies mit der Hoffnung, einen breiteren Sekundärmarkt zu schaffen. Ein neuer Datenstandard soll NPL-Transaktionen in der EU fördern. Noch in diesem Jahr werden die neuen NPL-Transaktionsdatenvorlagen der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) verbindlich.

Hintergrund der Neuregulierung ist ein Mangel an Informationen über die faulen Kredite, was den Verkauf erschwert. Die Geld-Brief-Spannen der NPL-Portfolios sind entsprechend hoch. Die Verbesserung der Qualität von NPL-Daten ist daher ein Hauptanliegen der EU.

Die EBA hat den Entwurf der technischen Durchführungsstandards (Implementing Technical Standards, IST) auf der Grundlage der Erfahrungen mit der bislang freiwilligen Verwendung von NPL-Datenvorlagen erstellt, die sie 2017 entwickelt hatte. Berücksichtigt wurden außerdem Erfahrungsberichte der Branche zur Verwendung dieser Vorlagen. Die Banken haben sich jedoch dabei über eine zunehmende Komplexität der geplanten Offenlegung beschwert. 

Im Vergleich zu den bestehenden freiwilligen Vorlagen hat die EBA die Datenfelder von 200 auf 130 reduziert, von denen 69 obligatorisch sind. Für die nicht obligatorischen Datenfelder sollen sich die Banken in angemessener Weise bemühen, die Daten möglichst im gleichen Format bereitzustellen.

Mit Argusaugen

Im Mai 2023 äußerte sich die EZB in einem Sonderbericht über Kreditrisiken von Banken. Dabei eruierten die Aufseher, ob mehr getan werden muss, um Kreditrisiken angemessen zu steuern und abzudecken. Die Banken waren beim Abbau der NPL in den vergangenen Jahren nicht so aktiv vorgegangen wie von der EZB erwartet. Festgestellt wird in dem Bericht, dass der Ansatz zu einer Ungleichbehandlung der Banken geführt hatte, da Banken mit einem höheren Anteil notleidender Kredite mehr Zeit eingeräumt wurde als anderen Instituten. Der Prozess habe auch zu einer gewissen Ineffizienz geführt, da er sowohl für die Banken als auch für die Aufseher aufwendig sei.

NPL sind nicht nur für die Aufsichtsbehörden ein wichtiges Thema. Kürzlich hielt Sebastiano Laviola, Vorstandsmitglied des Single Resolution Board (SRB), eine Rede auf einer NPL-Konferenz in Neapel, in der er sagte, dass ein proaktives Management nicht nur für die Aufsicht, sondern auch für die Abwicklungsbehörden ein wichtiges Thema sei. „Selbst wenn das Gesamtbild beruhigend aussieht, muss auf die Signale einer möglichen künftigen Verschlechterung geachtet werden“, sagte Laviola. „Höhere Kreditzuflüsse der Stufe 2 könnten auf einen Anstieg des NPL-Volumens in naher Zukunft hindeuten, sobald sich die außerordentlichen NPL-Transfers – Verkäufe und Verbriefungen – verlangsamen.“

Der SRB-Vorstand hofft, dass die Fortschritte bei den Datenstandards dazu beitragen werden, die Effizienz auf dem Sekundärmarkt für notleidende Kredite zu verbessern. Er wies jedoch auch auf die langsamen Fortschritte bei der Reform der Insolvenz- und Verwertungsordnung hin und sagte, dass ineffiziente Rechtsdurchsetzung und Rückstände in der Justiz für das langsame Tempo des NPL-Abbaus in einer Reihe von Mitgliedstaaten verantwortlich seien.

Solange die Sanierungszeiten und -verfahren in der EU sehr unterschiedlich ausfallen, werden die NPL-Sekundärmärkte eher national als europäisch bleiben. Mitgliedstaaten mit langsameren Verwertungsquoten sollten ermutigt werden, ihren Insolvenz- und Verwertungsrahmen zu verbessern. Viele Beobachter sind jedoch skeptisch, was Fortschritte in diesem Bereich angeht, da die grundlegenden Rechtsprinzipien zu unterschiedlich und je nach Land entweder gläubiger- oder kreditnehmerfreundlich sind. „Leider scheinen die Fortschritte in diesem Bereich begrenzter zu sein als in anderen Bereichen, was auf die rechtlichen Hindernisse zurückzuführen ist, die einer Harmonisierung der Insolvenzordnung für Nichtbanken in der EU im Wege stehen“, sagt auch Laviola. 

Im Bereich der NPL arbeiten seit Jahren gut etablierte Dienstleister, die den Sekundärmarkt bereits heute effizienter gemacht haben. Und viele Banken nutzen deren Dienste und haben über sie eine Reihe von Portfolioverkäufen und Verbriefungen abgeschlossen. Insgesamt sind die Banken auf diese Weise in der Lage, bei Bedarf schnell zu handeln.

Wenige Spieler am Markt

Auf Investorenseite wurde der Markt für NPL-Portfolios in den letzten zehn Jahren von einer kleinen Anzahl von Namen wie Fortress, Cerberus, Bain Capital Credit und Davidson Kempner beherrscht, die es gewohnt sind, auf Märkten mit nicht standardisierten Daten zu operieren. Diese Akteure waren zum Beispiel Investoren in einigen der großen Verbriefungsgeschäfte wie des Hercules Asset Protection Scheme (HAPS) mit griechischen Banken wie Alpha und Piraeus. So gab Anfang Mai die Alpha Bank of Greece ihren jüngsten NPL-Portfolioverkauf bekannt, das 650 Mill. Euro schwere Project Hermes Portfolio, das an Fortress und Davidson Kempner ging.

Einer der größten europäischen Investoren ist das in Schweden ansässige Unternehmen Intrum, das Anfang des Jahres ein Portfolio im Wert von 630 Mill. Euro von doValue Hellas erwarb und gerade die Übernahme der britischen Servicingplattform Arrow Global abgeschlossen hat.  Das Ziel der EU, die Qualität der Daten zu verbessern, findet zwar auf dem breiten Markt Unterstützung. Doch die sehr großen und erfahrenen Investoren haben längst ihre eigenen Verfahren eingeführt und weniger Interesse an der Entwicklung der EU-Datenvorlagen. Die Komplexität des Marktes ist für sie ein Wettbewerbsvorteil. Die EU hofft jedoch, dass bessere Daten und mehr Transparenz über Portfolioverkäufe neue Investoren anlocken könnten. 

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