Notiert aufCuracao

Das Blau der Karibik

Curaçao lockt Urlauber mit Lebensfreude und eindrucksvollen Naturschauspielen. Doch die Insel hat eine dunkle Vergangenheit, die sich heute in den Überbleibseln eines längst vergangenen Raffineriebooms zeigt.

Das Blau der Karibik

Notiert auf Curaçao

Das Blau der Karibik

Von Alex Wehnert

Die Touristen sind hellauf begeistert, als sich ein kleiner vierbeiniger Besucher zwischen ihren Liegen blicken lässt und mit seiner Schnauze glücklich grunzend im Sand wühlt. Gleich hinter dem Ferkel folgt die pompösere Mama Wutz, die sich ebenfalls bereitwillig von ortsfremden Bewunderern fotografieren lässt. An der Playa Porto Mari, einem der beliebtesten Strände der Karibikinsel Curaçao, bieten sich Urlaubern eindrucksvolle Naturschauspiele – auch abseits der schweinischen Attraktion.

In den Bäumen nahe den porösen Klippen, die sonnenverbrannten Körpern wohltuenden Schatten spenden, klettern grüne Leguane umher und lassen sich knusprige Blätter schmecken. Die Orangebrust- und Weißflügeltrupiale in ihren leuchtenden Federkleidern flattern zwischen den Ästen und zeigen wenig Scheu vor Menschen, während sich der braune Pelikan weiter draußen wacklig auf der salzigen Seebrise gleiten lässt, um dann im Sturzflug auf im Wasser erspähte Fahnenbarsche niederzuplumpsen.

Ein Likör mit Historie

Das Meer, das sich die Fahnenbarsche mit Schildkröten und einer Vielzahl von Badegästen teilen müssen, ist von einem solch brillanten Saphirblau, als käme es aus einem Malkasten. Damit liefert es die Inspiration für den Exportschlager Curaçaos: den gleichnamigen Likör. Die Entstehungsgeschichte des auf der Laraha-Orange basierenden Getränks stellt eine Mikrohistorie der Insel vor der Küste Venezuelas dar.

Denn die Spanier brachten im frühen 16. Jahrhundert Sevilla-Orangen auf das Eiland. Doch die Früchte wollten in der trockenen Hitze und Erde nicht gedeihen, die Kolonialherren überließen die Bäume sich selbst. Nachdem die Niederländische Westindien-Kompanie Curaçao 1634 einnahm, entdeckten Destillateure, dass die Schale der nun wild wachsenden Laraha ein schmackhaftes Aroma abgibt. Den auf ihrer Basis hergestellten Likör gibt es heute in vielen exotischen Variationen, die bekannteste bleibt aber jene, die mithilfe von etwas Lebensmittelfarbe im Blau der Karibik leuchtet.

Vergänglicher Raffinerieboom

Wer Curaçao besucht, kann die Destillerie im Landhuis Chobolobo besichtigen – und dort auch etwas über den dunklen Teil der Inselgeschichte lernen. Denn die Landhuiser sind ehemalige Hauptgebäude von Plantagen und meist auf Hügeln gelegen, damit die Grundbesitzer sich im Fall eines Sklavenaufstands gegenseitig warnen konnten. Die Abschaffung der Sklaverei im Jahr 1863 veränderte die Wirtschaft Curaçaos dramatisch – der nächste Umbruch folgte 1914, als Ölfunde in Venezuela den Inseln unter dem Winde einen Raffinerieboom bescherten.

Nach dem schweren ökonomischen Abschwung der 1980er, 90er und 2000er Jahre ist davon außer veralteten Anlagen, deren Emissionen über jedem Standard liegen, nicht mehr viel übrig. Der Tourismus bildet heute die wichtigste Branche der Insel, Tui veranstaltet vierzehnmal pro Woche Flüge von Amsterdam nach Curaçao – solch große Anziehungskraft besitzen die Schweine am Strand und das Blau der Karibik.

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