Das Ende der Gemächlichkeit
Healthineers
Das Ende der Gemächlichkeit
Von Michael Flämig
Aktionäre von Siemens Healthineers sollten lieber nicht in Urlaub fahren, wenn der Medizintechnikhersteller die Quartalszahlen veröffentlicht. Denn die Kursreaktionen könnten Handlungsdruck erzeugen. Die Präsentation des ersten Quartals des Geschäftsjahres (30. September) hatte der Aktienmarkt noch mit einem Plus von 9% quittiert, mittlerweile jedoch geht es regelmäßig bergab. Zum zweiten Quartal stand ein Minus von knapp 6% zu Buche, gestern sank der Kurs bis zum Schluss des Xetra-Handels in der gleichen Größenordnung.
Derartige Ausschläge sind erstaunlich, wenn man die Natur des Medizintechnikgeschäfts berücksichtigt. Es galt als wenig volatil und gut berechenbar. Aber seit der Pandemie sind die Ausschläge in dieser Branche größer geworden. Dies spiegelt auch die operative Entwicklung mit teils erstaunlichen Wachstumsraten. Gemächlichkeit war gestern.
Trotzdem sind die Einbrüche der Bewertung an den beiden vergangenen Quartal-Berichtstagen nicht vergleichbar. Mitte Mai hatten die Investoren noch auf die harte News reagiert, dass die Sparte Diagnostics erneut ihre Ziele für ein Geschäftsjahr senken musste und die Prognose für das bereinigte Ergebnis je Aktie etwas pessimistischer gefasst wurde. Dagegen hielt der Vorstand am gestrigen Mittwoch an seiner Formulierung für die Jahresziele exakt fest.
Was also führte zu dem Kurssturz? Letztlich wurde Healthineers vom gleichen Effekt getroffen wie tags zuvor BMW und Krones. Die Aktienanleger sind sehr stark investiert, so dass das Rückschlagsrisiko immens ist. Geringfügige Enttäuschungen, die in einem anderen Umfeld einfach übersehen würden, führen zu eklatanten Ausschlägen.
Im Fall von Siemens Healthineers sorgten Auslieferungsverzögerungen bei der zugekauften Strahlentherapie-Einheit Varian für die negative Reaktion an der Börse. Rund 20 Geräte konnten nicht bis Ende Juni fertiggestellt werden. Dies ist zwar keine Petitesse, zumal die operative Marge im Geschäftsjahr nun etwas geringer ausfallen wird als ursprünglich geplant. Aber einen Kurrutsch von zwischenzeitlich 8% rechtfertigt dies nicht, mag sich am Mittwoch auch der gesamte Medizintechniksektor schlechter als der breite Aktienmarkt entwickelt haben.
Varian ist bisher grundsätzlich auf Kurs, auch wenn der Abschied des dortigen CEO Chris Toth im Frühjahr eine wirklich schlechte Nachricht war. Trotzdem werden die Anleger genau hinschauen, wie die Performance der Sparte ist, auch weil das ebenfalls zugekaufte Diagnostikgeschäft sich als Dauerbaustelle erwiesen hat.