Das Ende der Raucherecke
Notiert in Brüssel
Das Ende der Raucherecke
Von Detlef Fechtner
Ein schlechter Kalauer lautet, dass künftig wahrscheinlich mehr Raucher an Lungenentzündung als an Lungenkrebs sterben werden, weil sie bei Eiseskälte auf den Balkon oder auf den Hof geschickt werden. Es gibt natürlich Dutzende Gründe, warum diese ketzerische Prognose niemals zutreffen wird. In dieser Woche ist noch ein weiterer Grund hinzugekommen. Denn möglicherweise werden die Schlupfwinkel für Raucher auf Balkonen und neben Eingangstüren bald geschlossen. Die EU-Kommission jedenfalls hat das Ende der Raucherecke eingeläutet. Geht es nach ihr, werden demnächst Studenten und Professoren nicht mehr im Regen draußen vor dem Hörsaalgebäude bei einer Zigarette zusammenstehen und klönen und sich auch keine Kette rauchenden Patienten in Bademänteln – in der linken Hand den Infusionsständer, in der rechten Hand die Kippe – mehr vor dem Klinikeingang um den Standaschenbecher drängeln.
Auch elektronische Zigaretten betroffen
Was genau hat die EU-Kommission im Sinn? Die scheidende EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides hat einen Vorschlag für eine Rats-Empfehlung eingebracht, um die nationalen Regierungen aufzufordern, die Vorgaben für rauchfreie Umgebungen zu verschärfen. Ein Teil der Vorlage ist die Ausweitung der Regeln, die für Zigaretten gelten, auf Vapes, also elektronische Zigaretten. Der andere Teil der Initiative der EU-Kommission zielt darauf, das Rauchen an ausgewählten Plätzen auch außerhalb von Gebäuden verbieten zu lassen.
Dabei ist die Liste der idealerweise lungenzugfreien Orte durchaus lang. Na klar: Spielplätze, Zoos und Schwimmbäder. Auch Bushaltestellen und Bahnsteige. Zudem: Schulen, Unis und Jugendzentren. Aber auch Eingänge von Einkaufszentren oder Parks von Kliniken. Und schließlich „in jedem Außenbereich in Verbindung mit einem Arbeitsplatz“. Das ist eine wachsweiche Formulierung – und dürfte beispielsweise auch Biergärten oder Baustellen umfassen. Letzteres wäre ein harter Schlag für eine besonders exponierte Gruppe: Niemand raucht in Europa so viel wie männliche Handwerker.
Große nationale Unterschiede bei der Raucherquote
In der EU pafft aktuell knapp jeder Vierte – im Schnitt. In Bulgarien, Griechenland und Kroatien sind es deutlich mehr. In Schweden deutlich weniger. Und in den Niederlanden – wer hätte das gedacht – sind es die allerwenigsten. Wohlgemerkt: Die Rede ist von Rauchern, nicht Kiffern.
Das – zweifelsohne ambitionierte – Ziel der Europäischen Union ist es, die Raucherquote auf weniger als 5% zu drücken. Sie selbst kann freilich nichts vorschreiben, sondern nur den Mitgliedstaaten empfehlen, das Rauchen unattraktiver zu machen. Durch Werbeverbote. Durch Schockfotos auf den Packungen. Durch die Ausweitung rauchfreier Umgebungen. Und natürlich durch die ständige Erhöhung der Tabaksteuern.
Da kommen einem die Tränen
Von Helmut Schmidt, dem Menthol-Zigaretten kettenrauchenden Bundeskanzler, ist das geflügelte Wort bekannt: „Inflation ist, wenn das Päckchen Zigaretten zwei Mark kostet.“ Ein Satz, der Rauchern sentimentale Tränen in die Augen treiben kann. Ja, das waren für sie noch paradiesische Zeiten.