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Das Ende der Schonzeit naht

Bayer-Chef Bill Anderson spricht schonungslos Wahrheiten aus. Doch die heikle Frage nach der künftigen Portfoliostruktur lässt auch er weiter offen.

Das Ende der Schonzeit naht

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Das Ende der
Schonzeit naht

Von Annette Becker

Bayer-Chef Bill Anderson spricht schonungslos Wahrheiten aus. Doch die heikle Frage nach der künftigen Portfoliostruktur lässt auch er weiter offen.

An klaren Worten lässt es Bill Anderson, der Bayer seit Juni leitet, nicht fehlen. Die Performance? "Nicht akzeptabel." Der Erhalt des Status quo? "Schlicht keine Option." Die gleichzeitige Aufspaltung des Konzerns in drei Teile? "Schließen wir aus."

Doch was sich zunächst wie harte Kante anhört, ist auf den zweiten Blick ein Vorgehen nach dem Ausschlussverfahren. Ergebnisse der Strukturanalyse soll es erst im März kommenden Jahres geben. Einzig die Implementierung des neuen Arbeitsmodells "Dynamic Shared Ownership" ist gesetzt, auch wenn es dazu noch keine belastbaren Zahlen und Fakten gibt – mehr dazu anlässlich der Bilanzvorlage im März, die mit dem Kapitalmarkttag kombiniert wird.

Ein Strick ist Anderson daraus jedoch nicht zu drehen. Es ist allemal besser, Optionen in allen Facetten zu prüfen, bevor weitreichende Entscheidungen getroffen werden. Zumal die anhängigen Rechtsfälle in der Pflanzenschutzsparte nach wie vor nicht abschließend geklärt sind und vor jeder Portfolioentscheidung klar sein muss, ob und wie die damit verbundenen Finanzrisiken abgeschirmt werden können.

Rechtsrisiken

Gleichwohl muss es zu denken geben, wenn in einem 19-seitigen Zwischenbericht allein drei Seiten der Aufzählung der Rechtsrisiken vorbehalten sind. Sie stehen allesamt mit Monsanto in Verbindung. Hinzu kommt, dass die Rechtsrisiken weiterhin unkalkulierbar sind. Das belegen nicht nur die jüngsten Jury-Urteile, sondern auch die wieder steigenden Klagezahlen. Ausweislich des Zwischenberichts sind 52.000 Klagen noch nicht verglichen.

Wundern darf man sich allenfalls darüber, dass die Strukturanalyse erst jetzt im Detail vorgenommen wird. Dabei hatte Andersons Vorgänger Werner Baumann schon im Mai 2022 mit Verweis auf unveröffentlichte Gutachten erklärt, dass sich die Frage nach einer Aufspaltung nicht stelle, weil damit keine Wertsteigerung verbunden sei.

Dass in den vergangenen sechs Jahren vieles schieflief, daraus macht Anderson kein Hehl. Die diversen klassischen Restrukturierungsprogramme seien in den besten Absichten durchgeführt worden, zeitigten aber keinen nachhaltigen bilanziellen Erfolg, resümiert der Bayer-Chef und beklagt, dass zwischen ihm und den Kunden zwölf Hierarchieebenen lägen. "Das ist einfach zu viel."

Zweifelsohne kennt Anderson die Erwartungshaltung seiner Investoren, die mit jedem Quartal wächst. Doch schnelle Abhilfe gibt es nicht. Noch wird der einstige Roche-Manager als Lösung des Problems wahrgenommen. Doch die Schonzeit läuft langsam ab.