LeitartikelAmpelkoalition

Das Fundament des Wirtschaftsstandorts bröselt

Zu lange hat die Ampel in ihrem unterschwelligen antikapitalistischen Reflex die Warnungen der Wirtschaft vor Wettbewerbsverlusten beiseite gewischt. Das rächt sich nun – und ein umfassender Rettungsplan muss her.

Das Fundament des Wirtschaftsstandorts bröselt

Standort D

Das Fundament bröselt

Von Stephan Lorz

Zu lange hat die Ampel die Klagen der Wirtschaft als puren Lobbyismus abgetan. Das rächt sich nun. Ein Rettungsplan muss her.

Die Debatte um den Standort Deutschland ist zurück. Ökonomen diagnostizieren nicht nur eine konjunkturelle Erkältung, sondern eine schwere strukturelle Grippe. Das fehlende, allenfalls nur magere Wachstum lässt keine großen Sprünge mehr zu. Die Dynamik und Produktivität der Unternehmen geht seit Jahren zurück. Der Kapitalstock zerbröselt. Über Jahrzehnte aufgebauter Wohlstand droht wegzurutschen. Zugleich zieht es Unternehmen raus aus Deutschland, weil im Ausland niedrigere Kosten, höhere Renditen und mehr Dynamik locken, vor allem mehr Freiheiten in der Umsetzung ihrer Ideen herrschen.

Nichts, so der sich verfestigende Eindruck, scheint hierzulande mehr richtig zu funktionieren: Bahn, Brücken und Schulen sind vielfach marode. Bei Bildung, Digitalisierung und neuen Technologien laufen wir hinterher. Einzig die Bürokratie und Gesetzesmaschinerie scheint zur Hochform aufzulaufen. Sie findet immer neue Ansätze, um Kreativität, Engagement und Geschäftsideen auflaufen zu lassen.

Und wenn die Politik einmal ein Vorhaben startet, dem sie den Begriff „Reform“ zuschreibt, dann geht es nicht um die großen Weichenstellungen für die Wirtschaft wie Steuer-, Wachstums- und Wettbewerbspolitik. Sondern sie steigt direkt in die Heizungskeller und sagt, welches Kraut zum Rauchen taugt. Das sind nicht die Themen, die mehr Wachstum, mehr Wohlstand und mehr Fortschritt mit sich bringen, sondern Verhaltensweisen erlauben oder bestrafen – natürlich immer mit alternativlos anmutenden Argumenten wie Umwelt und Gerechtigkeit, weil es immer gleich um Gut und Böse geht.

Schon anders sieht es aus, wenn um spezielle Wählergruppen geworben wird wie die Rentner. Da lässt die Ampel-Regierung nichts unversucht, um sie durch eine Rentengarantie für sich einzunehmen. Komisch: In der Klimadebatte sind die Jungen und Ungeborenen jene, auf die verwiesen wird, wenn Klimaziele und die ökologische Transformation durchgesetzt werden sollen. In der Rentenpolitik sind es die Alten, die geschont werden, und die Jungen/Ungeborenen werden zur Kasse gebeten!

Es ist nicht nur der ständige Streit in der Ampel-Koalition, der Konsumenten und Investoren verunsichert. Sondern es sind vielmehr die vielen Inkonsistenzen im Regierungshandeln, die unausgereiften und unzureichenden Transformationspläne für die Energiewirtschaft, das offenkundige Unvermögen, sich die tatsächlichen Lebensverhältnisse der Menschen vor Augen zu führen, und der Unwille, sich der Probleme in der Wirtschaft tatsächlich anzunehmen. Letzteres mag der unterschwellig stets präsenten antikapitalistischen Haltung geschuldet sein. Aber ohne Kapitalismus eben auch keine Sozialpolitik.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat schon recht, wenn er davor warnt, dass die schlechte Stimmung Wirtschaft und Standort in Misskredit bringt. Pessimismus ist ansteckend. Und es kommt nicht von ungefähr, dass die Deutschen im „World Happiness Report“ gleich um mehrere Plätze abgerutscht sind. Aber er scheint der irrigen Ansicht zu sein, dass die Miesmacher die Schuld an der desaströsen Lage haben. Stattdessen müsste aber die Regierung ihrerseits dafür sorgen, dass der Standort wieder attraktiv wird. Das würde die Stimmung automatisch heben. Und dafür fehlt es der Berliner Politik eben an Perspektive, Verlässlichkeit und Substanz.

Wo ansetzen? Da geht es zunächst um längst bekannte Missstände: zu viel Bürokratie, zu hohe Steuern, marode Infrastruktur. Es braucht eine Agenda, wie das schnellstmöglich behoben werden kann. Zudem muss Berlin für neue Technologien den roten Teppich ausrollen als Standortpfeiler der Zukunft: künstliche Intelligenz, Robotik, Stromspeicher, Quantencomputing, Wasserstofferzeugung, vielleicht auch Kernfusion. Warum nicht als Startschuss ein Programm auflegen, das allen Deutschen schneller als bisher erwartet einen Glasfaseranschluss ins Haus legt? Es fehlt allenthalben ein Masterplan für den Standort – und die Selbstverpflichtung zu konkreten Schritten hierfür. Übrigens: Auch die CDU/CSU scheint blank. Das spüren die Wähler. Sonst würde die Partei in Umfragen schon längst an der 40-Prozent-Marke kratzen.

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