Das Hauptstadtproblem mit der Clankriminalität
Notiert in Berlin
Das Problem mit der Clankriminalität
Von Andreas Heitker
In den vergangenen Jahren ist den in Berlin ansässigen kriminellen Familienclans eine große nationale Aufmerksamkeit zuteilgeworden. Sie haben fast schon so etwas wie einen popkulturellen Anstrich bekommen. Dazu haben spektakuläre Straftaten beigetragen, wie der Raub einer 100 Kilogramm schweren Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum 2017 oder der Einbruch in das Grüne Gewölbe in Dresden zweieinhalb Jahre später. Beide Taten sollen von der Remmo-Familie begangen worden sein. Dazu hat aber auch der Strafprozess gegen Clan-Chef Arafat Abou-Chaker beigetragen, der sich öffentlichkeitswirksam vor Gericht mit seinem ehemaligen Geschäftspartner, dem Rapper Bushido gefetzt hatte. Dazu hat aber natürlich auch die TV-Serie „4 Blocks“ um eine libanesische Familie aus Berlin-Neukölln beigetragen. Die Verfilmung hat namhafte Preise gewonnen. Kida Khodr Ramadan, der den Clanchef Toni Hamady spielt, ist so zum Star geworden.
Die Realität in der Hauptstadt, wie sie sich in dem neuen Lagebild der Polizei hierzu darstellt, hat mit Popkultur wenig zu tun. Da geht es ganz konkret um Körperverletzung, Diebstahl, Unterschlagung, Drogendelikte, Betrug, Bedrohung mit Waffen, Geldwäsche, Sachbeschädigung, Erpressung und auch Mord. Insgesamt 1.063 Straftaten weist die neue Statistik für 2023 aus, die dem Bereich der Clankriminalität zugerechnet werden. Das sind rund 200 mehr als in den beiden Jahren zuvor. Aktuell zählt die Berliner Polizei 633 Personen zu diesen kriminellen Großfamilien: Fast die Hälfte von ihnen haben einen deutschen Pass. Ein Viertel hat einen libanesischen Hintergrund. Bei vielen ist die Staatsbürgerschaft aber auch einfach ungeklärt. Unter den Top 3 der Tatverdächtigen des letzten Jahres waren ein 24-jähriger Schwede, dem gleich 65 Straftaten zur Last gelegt werden, und ein erst 14-jähriger Iraner mit 28 Straftaten.
„Die Clankriminalität untergräbt seit Jahrzehnten unser Recht- und Wertesystem“, klagte Innensenatorin Iris Spranger. Jeden dritten Tag ist die Polizei in der Hauptstadt zuletzt zu Einsätzen gegen die Clans ausgerückt. Fast 500 Objekte wurde kontrolliert. Der Druck soll hochgehalten werden. Als Schlüssel gelten vor allem Finanzermittlungen gegen die berüchtigten Großfamilien. Der Fokus liegt dabei unter anderem auf dem Handel mit Gebrauchtwagen sowie dem Bau-, Sicherheits- und Gaststättengewerbe.
Die Landespolitik springt auf das Thema Clankriminalität an
Ganz so einfach ist das alles aber nicht, wie auch die Polizei im Lagebericht einräumte: Ein starker Zusammenhalt innerhalb der Familienstrukturen und die darin herrschende patriarchalische Hierarchie erschwerten die Aufklärung, hieß es. „Dominantes, aggressives Auftreten in der Öffentlichkeit sorgen in der Bevölkerung für Unbehagen.“ Und gerade dieses Unbehagen sorgt dafür, dass auch die Politik auf das Thema anspringt: Die Berliner CDU hat im April bereits ein Acht-Punkte-Papier im Kampf gegen Clankriminalität verabschiedet. Eine Maßnahme: Die Strafmündigkeit von 14 auf zwölf Jahren herabsetzen.