Im BlickfeldKMU-Kreditplattformen

Das Imperium der Banken schlägt zurück

KMU-Kreditplattformen wie Lendico, Compeon, Fincopare & Co. traten an, um Banken herauszufordern – wie einst die privaten Baufi-Plattformen. Doch dieses Mal siegen die Banken.

Das Imperium der Banken schlägt zurück

Im Blickfeld: KMU-Kreditplattformen

Das Imperium schlägt zurück

Challenger-Fintechs haben Banken im KMU-Geschäft herausgefordert, doch am Ende gewinnen vor allem die Banken.

Von Philipp Habdank, Frankfurt

In der Science-Fiction-Saga „Star Wars“ lehnen sich die in vielerlei Hinsicht unterlegenen Rebellen mutig gegen das übermächtige galaktische Imperium auf. Zunächst gelingt ihnen mit der Vernichtung des „Todessterns“ – das ist die ultimative Waffe des Imperiums, die ganze Planeten pulverisieren kann – ein großer Coup. Doch das Imperium schlägt zurück, spürt den geheimen Stützpunkt der Rebellen auf, baut einen neuen Todesstern und vernichtet damit anschließend den Planeten Alderaan.

Eine vergleichbare Dramaturgie zeigt die Geschichte der KMU-Kreditplattformen in Deutschland. Auch wenn die Geschichte keinen Rebellen jagenden Bösewicht wie Darth Vader kennt, zeigt sich der Markt dennoch ähnlich gnadenlos. Rebellisch waren sie aber allemal, die vielen Fintechs, die die vorherrschenden Banken im Kreditgeschäft mit kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) herausforderten. Ob Compeon, Lendico, Creditshelf, Fincompare oder zuletzt Finmatch: Allein zwischen 2012 und 2018 gingen in Deutschland fünf Challenger-Fintechs an den Start. Wahrscheinlich gibt es sogar noch mehr.

KMU-Kreditplattformen gehen in Banken auf

Im Jahr 2025 sind die Reihen der Rebellen allerdings stark ausgedünnt. Viele sind entweder pleite oder wurden von Banken übernommen. Den Anfang machte Lendico. Die einstige Ausgründung der Start-up-Schmiede Rocket Internet ging in der ING auf. Die Marke Lendico ist inzwischen verschwunden, doch die ING erfreut sich eines Tech-Teams, das im Zuge der Übernahme zur niederländischen Direktbank wechselte. Als nächstes erwischte es Fincompare, das 2021 von den Kreditgenossen und deren IT-Tochter Atruvia übernommen wurde. 2024 rutschte Creditshelf in die Pleite. Im selben Jahr wurde Compeon zum ersten Mal verkauft – an Dock Financial, das in diesem Jahr allerdings auch pleite ging. Der lachende Dritte sind erneut die Kreditgenossen, die sich über Fincompare auch Compeon einverleibten.

Schwäbischer Transparenz-Geiz

Finmatch ist weiterhin unabhängig – und nach eigener Aussage auch profitabel. Transparenz hält das Fintech im Hinblick auf Umsatz-, Gewinn- und Geschäftszahlen offensichtlich nicht für nötig: „Wer unser Potenzial kennt, versteht, dass es keine Zahlen braucht, um unsere Bedeutung und unseren Erfolg zu erkennen“, so Finmatch stattdessen. Die Schwaben wollen im deutschsprachigen Raum Zugang zu „über 1.000 Finanzierungspartnern“ bieten und haben nach eigener Aussage in den sechs Jahren seit ihrer Gründung ein Transaktionsvolumen von rund 9 Mrd. Euro abgewickelt. Diese Zahl umfasse sowohl Finanzierungs- als auch Fördermittelprojekte. Detaillierte Zahlen nennt Finmatch nicht. Die Vermutung liegt aber nahe, dass der Anteil der Fördergelder bedeutend sein muss.

Ansonsten mutet ein jährliches Finanzierungsvolumen von durchschnittlich 1,5 Mrd. Euro im Branchenvergleich doch sehr hoch an. An Fincompare sind aktuell rund 100 Banken, Leasing-Gesellschaften und alternative Kreditgeber wie beispielsweise Bankxware oder Iwoco angeschlossen. Hinzu kommen rund 50 Volks- und Raiffeisenbanken, wie André Lichner erläutert. Als Hauptwettbewerber nennt der Fincompare-Chef Deutsche Firmenkredit Partner (DFKP). Diese bieten laut offiziellen Angaben Zugang zu „über 200 Banken und Spezialfinanzierer“ und vermittelten im Jahr 2023 ein Finanzierungsvolumen in Höhe von 223 Mill. Euro.

KMU-Geschäft läuft überwiegend an Plattformen vorbei

Damit eine KMU-Kreditplattform wie die von Fincompare nachhaltig profitabel ist, brauche es 400 bis 500 Mill. Euro an jährlichem, vermitteltem Finanzierungsvolumen. „Wir kratzen jetzt an dieser Schwelle und sind beim Deckungsbeitrag I bereits deutlich positiv“, sagt Lichner. Den für Fincompare adressierbaren Markt für KMU-Finanzierungen schätzt er in Deutschland auf rund 70 Mrd. Euro. Bislang würden davon aber weniger als 2% über KMU-Plattformen laufen, rund 1,5 Mrd. Euro. Durch den Zusammenschluss mit Compeon dürfte nach Einschätzung von Lichner gemessen am Volumen der Marktführer in Deutschland entstehen. Ziel für die nächsten Jahre sei ein Marktanteil von 3 bis 5% zu erreichen.

KMU-Kreditplattformen müssten IT-Investments überspringen

Bislang lief zu wenig Volumen über die Plattformen, was aber nicht der einzige Grund dafür ist, dass viele KMU-Kreditplattformen lange nicht profitabel waren. Lichner zufolge lag das vor allem an den hohen Technologie-Investitionen. Eine Plattform müsse es schaffen, über diese Sockelinvestments zu springen, um profitabel werden zu können. „Compeon war für uns sehr interessant, weil sie sehr effizient und schlank aufgestellt waren“, sagt Lichner.

Die IT sei ausgelagert gewesen, Fincompare hingegen habe eine eigene Tech-Abteilung, dafür jedoch einige Lücken im Vertrieb gehabt, die Compeon schließe. „Beide Plattformen sind daher sehr kompatibel und wir gewinnen durch die Übernahme einen Kundenstamm“, sagt Lichner. Das sei für Fincompare sehr attraktiv, da in diesem Markt viel Wiederholungsgeschäft stattfinde. Lichner geht nicht davon aus, dass sich die Kunden beider Plattformen groß überschneiden. Eine KMU-Plattform trete in der Regel nicht gegen andere Plattformen, sondern gegen die Hausbanken an.

Parallelen zum Schuldschein

In der aktuellen Konsolidierung unter den KMU-Kreditplattformen sieht Andreas Becker gerade eine ähnliche Entwicklung wie zuvor schon bei den Schuldscheinplattformen. „Vor zehn Jahren hatte nahezu jede Bank eine eigene Plattform, bis am Ende alle verstanden haben, dass sich eine Plattform nur dann profitabel gestalten lässt, wenn sie auch genug Volumen abwickelt“, so der Senior Executive Advisor der Unternehmensberatung Strategy& in Deutschland. Der Schuldscheinmarkt habe ein jährliches Volumen von rund 30 Mrd. Euro. Mit VC Trade habe sich am Ende eine der Plattformen durchgesetzt, die weitgehend bankunabhängig und heute klarer Marktführer sei.

In der Rückschau hätten die KMU-Plattformen Becker zufolge vor allem zu wenig Volumen auf der Plattform – und vielleicht auch nicht immer die besten Bonitäten angezogen. In einem so wettbewerbsintensiven Markt, wo es fast an jeder Ecke eine Sparkasse, eine Genossenschaftsbank oder eine andere Flächenbank gäbe, würden Kunden mit entsprechender Bonität in der Regel eine Finanzierung finden und seien auf keine alternativen Finanzierungsquellen angewiesen. „So sind am Ende Kunden auf den Plattformen gelandet, die im Zweifel bei Präsenzbanken kein Geld bekommen haben“, sagt Becker.

KMUs wollen mehr als nur Kredit

Hinzu komme, dass viele KMU-Kreditplattformen stark auf den Kredit als einziges Produkt ausgerichtet gewesen seien. „KMUs wollen aber zum Beispiel auch Lösungen für ihren Zahlungsverkehr, benötigen ein Konto oder wollen eine Debit- oder Kreditkarte für ihre Belegschaft“, sagt Becker. Eine Kreditplattform könne technisch noch so gut aufgestellt sein – am Ende müsse sie ihre Kunden häufig von einer Bank abwerben. „Das gelingt eigentlich nur, wenn der Kunde entweder mit seiner bisherigen Bank richtig unzufrieden ist oder die Plattform mit sehr, sehr attraktiven Konditionen wirbt“, so Becker.

Baufinanzierung als Blaupause

Fincompare-Chef Lichner sieht im KMU-Markt heute eine ähnliche Situation wie vor 20 Jahren in der Baufinanzierung. „Als ich die Interhyp verlassen habe, waren die Vermittlerströme stark professionalisiert. Es hat aber Jahre gedauert, um da hinzukommen“, so Lichner. Es gäbe abertausende Vermittler da draußen, von selbständigen Beratern bis zu strukturierten Vertriebsorganisationen, über die Kunden zu Banken kämen. „Die Menge und Nachfrage an Beratern ist da, aber es fehlt noch die Professionalität“, sagt Lichner.

In der Baufinanzierung hat das Plattformmodell geklappt, weil das Produkt standardisiert ist. „Der Kredit ist durch die Immobilie besichert, daher geht es am Ende um den Preis“, sagt Lichner. Bei unbesicherten KMU-Krediten gehe es hingegen vorrangig um die Machbarkeit einer Finanzierung an sich. Man stelle auf die Bonität des KMU ab und nicht auf das finanzierte Objekt. „Die absolute Standardisierung wie in der Baufinanzierung ist in der KMU-Finanzierung noch nicht gegeben, aber wir arbeiten mit unseren Partnern daran, sie zu erhöhen“, gibt sich Lichner kämpferisch. Das sei aber auch für Banken notwendig.

Fincompare setzt auf alternative Finanzierer

Lichner setzt im KMU-Markt große Hoffnung in alternative Finanzierer wie Iwoca, Banxware oder Youlend, die in den deutschen Markt drängen würden. „Diese alternativen Kreditgeber sind deutlich schneller und agieren bei der Kreditvergabe nicht so dogmatisch wie Sparkassen und Volksbanken“, sagt Lichner. Sie könnten zum Beispiel einen Kredit vergeben, auch wenn das KMU noch keinen Jahresabschluss vorlegen könne. Für Fincompare seien diese Kunden sehr wichtig. „Wir vermitteln sie beispielsweise zunächst an einen alternativen Lender, um sie später dann an eine traditionelle Bank heranzuführen“, sagt Lichner.

Die alternativen Finanzierer sind für das Vermittlungsgeschäft von Fincompare aktuell sogar wichtiger als die Genossenschaftsbanken. Zwar sind rund 50 VR-Banken an der Plattform angeschlossen. Tatsächlich vermittelt Fincompare Lichner zufolge heute aber nur 38% des Geschäfts in Richtung VR-Banken. Der Rest gehe momentan vor allem an die alternativen Kreditgeber. Lichner betont daher, dass Fincompare eine offene Plattform bleiben müsse – auch wenn das Fintech heute zu Banken der genossenschaftlichen Finanzgruppe gehöre.

Gleichwohl habe Fincompare für den Genossenschaftsbankensektor auch einen IT-Auftrag. Mit Atruvia ist die IT-Tochter zu einem Viertel beteiligt und Fincompare spiele laut Lichner eine große Rolle in der Firmenkundenstrategie, insbesondere beim technischen Überführen der neuen Kunden in das Kernbankensystem der angeschlossenen Banken. Außerdem dürfte weiterhin die Hoffnung bestehen, künftig mehr Geschäft über die VR-Banken auf die Plattform zu bekommen.

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