Das Rennen im Währungswettbewerb ist offen
Friedrich August von Hayek schrieb in „Entnationalisierung des Geldes“, dass Regierungen nie ihre Macht dafür einsetzten, auf Dauer ein ordentliches Geld bereitzustellen, „sie unterließen groben Missbrauch nur, als sie einer Disziplin unterworfen waren, wie sie die Goldwährung auferlegte“. Die Golddeckung des Dollar als Weltleitwährung wurde in den frühen 1970er Jahren aufgehoben. Seither sind weltweit Papierwährungen, sogenannte Fiat-Währungen, üblich. Seit 20 bis 30 Jahren haben die großen Zentralbanken die Zinsen immer weiter gesenkt und im großen Umfang Staatsanleihen (und andere Vermögenswerte) gekauft. Das hat das Vertrauen in die Weltleitwährungen Dollar und Euro untergraben. Eine Flucht in Sachwerte hat eingesetzt, so dass Aktien-, Immobilien- und Goldpreise stark gestiegen sind. Es sind Wettbewerber um das exorbitante Privileg (Giscard d’Estaing) erschienen: Denn wer die Weltreservewährung emittiert, der profitiert von unbegrenzten Krediten und immensen Geldschöpfungsgewinnen.
Zum einen sind dezentrale digitale Währungen entstanden. Den Pionier Bitcoin kann jeder schaffen oder „minen“, aber die Menge ist glaubhaft beschränkt. Der Kurs zu den gesetzlichen Fiat-Währungen bildet sich frei. Anders als beim Giralgeld, das auf einem Geschäftsbankensystem basiert, werden Zahlungen kryptografisch legitimiert und dezentral abgewickelt. Als Alternativen zum Bitcoin („Altcoins“) haben sich dezentrale oder zentrale Kryptowährungen wie Ether, Ripple, Tether und Dogecoin etabliert, die bezüglich der Glaubwürdigkeit dem Bitcoin mehr oder weniger (Dogecoin als Spaßcoin) als ebenbürtig gelten. Der stark steigende Wert der Kryptowährungen gemessen in Fiat-Währungen zeigt an, dass – trotz starker Schwankungen – viele auf deren Wertaufbewahrungsfunktion setzen.
Reizvoller Diem
Auch ein privates Firmenkonsortium um den Internetgiganten Facebook will im Wettbewerb um das Geldmonopol mitmischen. Der Diem – ehemals Libra – soll im Gegensatz zu vielen Kryptowährungen als Stablecoin fest an Dollar und Euro gebunden sein. Der Vorteil des Diem könnte sein, dass internationale Zahlungen in Diem dezentral und billiger sind. Die große Popularität von Facebook könnte für eine schnelle Verbreitung sorgen. Sollten eines Tages die geplanten Festkurse zugunsten einer graduellen Aufwertung gelockert werden, wäre der Anreiz groß, Dollar oder Euro in Diem zu tauschen. Ein Teil des Geldschöpfungsgewinns der Zentralbanken Fed und EZB könnte dann in die Taschen von Facebook wandern.
Auch unter den Papierwährungen scheint ein Wettbewerb um das exorbitante Privileg entbrannt. Zwar haben alle wichtigen Zentralbanken im Gleichlauf mit der Fed die Bilanzen ausgeweitet, sodass der Wettbewerb unter den Fiat-Währungen de facto ausgesetzt ist. Doch könnte nun China, dem der Leitwährungsstatus des Dollar schon lange ein Dorn im Auge ist, ausscheren. Viele Handels- und Finanztransaktionen in Ostasien werden in Dollar abgewickelt und die ostasiatischen Währungen sind immer noch an den Dollar gebunden. Immer dann, wenn die Fed die Geldmenge durch Ankäufe von US-Staatsanleihen ausweitet, sehen sich die Zentralbanken in Ostasien zu Dollarkäufen gezwungen. Sie finanzieren so die Staatsausgaben der USA mit.
Doch hat China seit einiger Zeit seinen Bestand an US-Staatsanleihen Schritt für Schritt reduziert. Statt US-Staatsanleihen zu halten, wurde in Infrastruktur in Entwicklungsländern investiert. In der Coronakrise ist die Bilanz der People’s Bank of China deutlich weniger gewachsen als die der Fed. Seit einem Jahr ist ein Aufwertungstrend des Renminbis gegenüber dem Dollar zu beobachten, so dass der Anreiz wächst, Dollar in Renminbi zu tauschen. Ähnlich wie Deutschland und Westeuropa in den 1970er Jahren, könnten sich China und seine wirtschaftlich eng verflochtenen Nachbarländer vom Dollar lösen. Zudem ist China mit der Entwicklung eines digitalen Renminbis vorangeeilt, dessen Zahlungssystem die Vormachtstellung der USA bei internationalen Finanztransaktionen unterwandern könnte.
Zentralbanken alarmiert
Die großen Zentralbanken werden sich jedoch nicht ohne weiteres die Butter vom Brot nehmen lassen. Die People’s Bank of China hat Kryptowährungen als Zahlungsmittel verboten. EZB und Fed haben die Entwicklung eigener digitaler Zentralbankwährungen (CBDC) anvisiert, die dezentrale Zahlungen abseits der Geschäftsbanken möglich machen. Würden die Bürger gegenüber den digitalen Euros und Dollars skeptisch bleiben, könnte mit strenger Regulierung oder gar Verbot der privaten Kryptowährungen die Beliebtheit der digitalen Zentralbankwährungen befördert werden. Warnungen wichtiger Zentralbankvertreter wie Christine Lagarde oder Andrew Bailey, dass Kryptowährungen dunklen Geschäften dienten und aufgrund der hohen Volatilität ein Totalverlust drohe, scheinen als Abschreckung nicht ausreichend zu sein.
Der Ausgang des Rennens ist offen. Fest steht, dass die Glaubwürdigkeit der führenden Fiat-Währungen stark gelitten hat. Deren Instabilität hat Krisen begünstigt und das Wachstum geschwächt, so dass der Wunsch nach einem alternativen Wertaufbewahrungsmittel groß ist. Wer am Ende den staatlichen Währungsmonopolen von Dollar und Euro am besten Paroli bieten wird, dürfte nicht zuletzt von der Qualität der zugrunde liegenden Technologie – Bitcoin versus Altcoins – bzw. dem Einfluss der dahinterstehenden Institution (Diem oder digitaler Renminbi) abhängen. Vielleicht finden angesichts der wachsenden Konkurrenz aber auch die etablierten Zentralbanken zur Tugend der Währungsstabilität zurück. Das wäre ein Beweis für den disziplinierenden Effekt des Währungswettbewerbs, wie ihn von Hayek vorgeschlagen hat.
Prof. Dr. Gunther Schnabl lehrt Wirtschaftspolitik und Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Leipzig.
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