Das Ringen ums große Geld
Notiert in Washington
Das Ringen ums große Geld
Von Peter De Thier
Der Streit tobt unter Akademikern schon seit geraumer Zeit: Dürfen die besten US-Universitäten, die mehr als 90% der Aufnahmeanträge ablehnen, Kandidaten nur deswegen bevorzugen, weil deren Eltern dieselbe Hochschule besuchten und diese seit langer Zeit mit großzügigen Spenden beglücken? Ein neuer Bericht des US-Bildungsministeriums hat eine heftige Debatte darüber losgetreten, ob es sich um eine unzulässige Form von Diskriminierung handelt, die womöglich sogar gegen die Bürgerrechte durchaus qualifizierter Kandidaten verstößt.
Die Aufnahme an eine Top-Uni wie Harvard, Yale, Brown Cornell – allesamt Mitglieder der elitären "Ivy League" – beruht wie auch bei den anderen führenden Hochschulen auf einer Vielzahl von Kriterien: auf den Noten in der High School, den Ergebnissen standardisierter Tests, dem Lebenslauf, dem sozioökonomischem Hintergrund und der ethnischen Herkunft. Viele Colleges machen keinen Hehl daraus, dass sie unter Bewerbern mit nahezu identischen Voraussetzungen jenem Kandidaten den Zuschlag geben, der einer ethnischen Minderheit angehört. Bei einer Rede vor Studenten hatte Teresa Ann Sullivan, frühere Präsidentin der University of Virginia, von der 80% der Bewerber abgelehnt werden, siebenmal den Satz wiederholt: "Wer hispanischer Herkunft ist, hat nicht nur gute Chancen hier zu studieren, er wird hier studieren!"
Unfaire Wettbewerbsvorteile
Seltener wird aber ein Aufnahmekriterium hinterfragt, das seit Jahrzehnten gang und gäbe ist: Haben ein Vater oder eine Mutter eine Ivy-League-Institution oder eine Elite-Uni wie die Duke University in North Carolina besucht, dann steigt die Wahrscheinlichkeit überproportional, dass auch der Sprössling aufgenommen wird. Nun sagt aber das Bildungsministerium, dass diese sogenannte "Legacy-Präferenz" ohnehin schon privilegierten Teenagern, die in der Regel mit 18 oder 19 das Studium beginnen, einen weiteren unfairen Wettbewerbsvorteil beim Einstieg ins Berufsleben verschafft. Hinzu komme, so die Regierung, dass der Brauch der Förderung der Diversität an den besten Hochschulen im Wege steht. Im Klartext: Nutznießer sind und bleiben größtenteils Kinder aus wohlhabenden, weißen Familien.
Obwohl Bürgerrechtsorganisationen den Bericht zum Anlass genommen haben, von Unis zu verlangen, dass sie ihre Aufnahmekriterien überdenken, lässt die Studie die dortigen Entscheidungsträger völlig kalt. Postwendend erklärten führende Ivy-League-Institutionen ebenso wie die University of Virginia, die Georgetown-Universität und andere Top-Hochschulen, deren Absolventen nicht mit sechsstelligen Gehältern ins Berufsleben eintreten, dass sie an der "Legacy-Präferenz" festhalten wollen.
Barreserven in Milliardenhöhe
Der Grund ist naheliegend: Private Universitäten in den Vereinigten Staaten werden wie gewinnorientierte Gewerbebetriebe geführt und verfügen in manchen Fällen über Barreserven in Milliardenhöhe. Unangefochtener Spitzenreiter ist dabei Harvard mit einem sogenannten "Endowment" im Wert von 53 Mrd. Dollar, gefolgt von Yale mit 42 Mrd. Dollar. Auch sind die Kassen der kalifornischen Hochschule Stanford und der Princeton University in New Jersey mit jeweils 37 Mrd. Dollar gut gefüllt, und ein beachtlicher Teil der Gelder kommt von wohlhabenden Absolventen, die regelmäßig großzügige Schecks ausstellen, um die Endowments "aufzustocken".
Die Bettelbriefe bekommen auch wir als Eltern eines Absolventen der University of Virginia und unser Sohn selbst zugestellt, der gerade erst ins Berufsleben eingetreten ist. Je nachdem, wie viel gespendet wird, können wir oder er höhere "Förderstufen" erreichen und werden dann jedes Jahr zu Dinners und anderen Veranstaltungen eingeladen, die der "Mission der Universität" dienen, auch künftigen Generationen erstklassige Ausbildungen angedeihen zu lassen. Vor dem Hintergrund von kumulativen Spenden in Milliardenhöhe also kein Wunder, dass die Elite-Unis an ihrer bewährten Sitte der Selbstrekrutierung festhalten wollen.