Das Risiko Italien ist zurück
Die Landung war hart für Giorgia Meloni. Die inzwischen ausgehöhlte Bankensteuer, zunehmende staatliche Eingriffe in die Wirtschaft und der im Kabinett verabschiedete Budgetentwurf, der nun nach Brüssel übermittelt wird, haben die kurze Liebesaffäre zwischen Italiens Premierministerin und den Märkten beendet und die Glaubwürdigkeit des Landes stark erschüttert.
Gradmesser dafür ist der Spread zwischen deutschen und italienischen zehnjährigen Staatsanleihen, der in den letzten Wochen um mehr als 30 auf über 200 Basispunkte gestiegen ist. Italien zahlt inzwischen mehr für die Aufnahme neuer Schulden als Griechenland.
Hoher Schuldenberg
Hauptgrund sind der steigende Haushaltsfehlbetrag und der wachsende Schuldenberg. Die Annahmen Roms über das Wachstum, Ausgabensenkungen oder mögliche Privatisierungserlöse sind völlig unrealistisch. Die Perspektiven sind angesichts der Rezession beim wichtigsten Handelspartner Deutschland und der wohl noch länger hohen Zinsen, die den Schuldendienst nach oben treiben und die Kreditnachfrage einbrechen lassen, trist. Dazu kommen die möglichen Folgen der diversen Kriege. Angesichts der sehr negativen demografischen Entwicklung haben die Märkte zudem Zweifel im Hinblick auf das mittel- bis langfristige Wachstumspotenzial des Landes.
Rom hat keinen Handlungsspielraum – auch wegen einer unverantwortlichen Ausgabenpolitik früherer Regierungen, die Meloni aber teilweise fortsetzt. Das rächt sich. Die vielen Bonuszahlungen, allen voran die vollständige Kostenübernahme für die ökologische Sanierung von Gebäuden, haben zwar 2021 und 2022 ein konjunkturelles Strohfeuer entfacht. Doch das ist erloschen. Geblieben sind noch höhere Schulden. Allein die Steuergutschriften für die ökologische Sanierung der Gebäude belasten den Haushalt mit 140 Mrd. Euro, davon 20 Mrd. Euro in diesem Jahr. Dazu kommen gewaltige Staatsgarantien für Unternehmenskredite von 300 Mrd. Euro, die Rom übernommen hat.
Gäbe es nicht die Mittel aus dem europäischen Wiederaufbauprogramm, dessen größter Nutznießer Italien ist, stünde das Land vor dem Offenbarungseid. Aber auch da steht Italien vor dem Dilemma, die Mittel nicht oder nicht so vernünftig ausgeben zu können, dass man davon strukturell profitiert.
Fehlende Reformen
Doch statt die versprochenen Reformen umzusetzen, hat Rom Steuersenkungen beschlossen sowie familienpolitische Maßnahmen ausgeweitet und will das durch eine höhere Verschuldung finanzieren. Damit hat die Regierung ein verheerendes Signal an die Märkte gesendet: nämlich, dass die Reduzierung des Schuldenbergs von 140% des Bruttoinlandsprodukts für sie nicht prioritär ist. Zudem geht Meloni auf Konfrontationskurs zur Europäischen Zentralbank (EZB), die Italien jahrelang mit niedrigen Zinsen und dem Aufkauf von Staatsanleihen gestützt hat, und zur EU, die das Land großzügig alimentiert. Meloni sucht die Schuld bei Europa und den Vorgängerregierungen, aber nicht bei sich. Und sie flirtet offen mit Autokraten wie Ungarns Premier Viktor Orbán. Das ist unklug, denn sie beißt die Hand, die Italien nährt. Dabei will sie ein Entgegenkommen der EU. Sie verlangt, dass „Investitionen“ bei der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes nicht beim Defizit berücksichtigt werden, statt ein inhaltlich glaubhaftes Programm vorzulegen.
Die Finanzmärkte mögen Konflikte Italiens mit Europa gar nicht. Die Strategie ist höchst riskant. Die nationale Notenbank und der Rechnungshof kritisieren den Budgetentwurf ebenso wie die Ratingagenturen. Deren Urteil zu Italien in den nächsten Wochen wird mit großer Angst erwartet.
Es gibt Szenarien über die Bildung einer technischen Regierung – wie 2011, als Silvio Berlusconi gehen musste und Mario Monti übernahm, oder 2021, als Mario Draghi kam. Das ist unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Es ist die Schuldenreduzierungsstrategie, die zählt. Meloni sollte die Geduld der Märkte und Europas nicht überdehnen. Das Risiko Italien birgt auch für Europa riesige Sprengkraft.
Staatsverschuldung
Das Risiko Italien ist zurück
Die Budgetpolitik Giorgia Melonis beunruhigt die Märkte und Europa
Von Gerhard Bläske
Meloni sollte die Geduld der Märkte und Europas nicht überdehnen. Das Risiko Italien birgt aber auch für Europa riesige Sprengkraft.