Das Signa-Imperium wankt
Einstürzende Neubauten
Signa Holding des österreichischen Immobilienmagnaten René Benko droht das Ende
Von Helmut Kipp und Christoph Ruhkamp, Frankfurt
Die stark gestiegenen Zinsen und fallende Immobilienbewertungen setzen das Imperium des österreichischen Unternehmers René Benko immer mehr unter Druck. Geldgeber wenden sich ab, Baustellen stehen still. Es fehlt Liquidität. Benko selbst steht vor dem Aus.
Es sind dramatische Wochen für René Benko und seine Signa-Gruppe. Die Talfahrt der Immobilienmärkte droht den Tycoon aus Österreich, der aus einfachen Verhältnissen zum reichen Mann aufstieg, unter sich zu begraben. Sein verzweigtes Firmenkonglomerat steckt in ernsten Schwierigkeiten. Die Existenz steht auf dem Spiel. Prominente Investoren wenden sich ab oder wollen, wie Beraterlegende Roland Berger, aussteigen. Der Druck der Geldgeber führte dazu, dass Mitgesellschafter Hans Peter Haselsteiner, früherer Chef des Baukonzerns Strabag, am vergangenen Freitag den bevorstehenden Rückzug Benkos verkündete. Stattdessen soll der deutsche Sanierungsexperte Arndt Geiwitz, der bereits als Berater an Bord ist, die Regie übernehmen.
Benko stimme einem vorübergehenden Machtwechsel unter der Bedingung zu, dass sich die Aktionäre an der Finanzierung der Umstrukturierung beteiligen, sagte Haselsteiner. Nun wirbt der milliardenschwere Großaktionär der Strabag SE um diese Finanzierungszusagen von anderen Investoren, darunter der deutsche Transportunternehmer Klaus-Michael Kühne, der Fressnapf-Gründer Torsten Toeller sowie die Investmentvehikel der französischen Peugeot-Familie und der schwedischen Rausings. “Das Unternehmen kann gerettet werden. Es ist nicht überschuldet, sondern in einer schwierigen Liquiditätssituation“, sagte Haselsteiner der „Tiroler Tageszeitung“. Es sei zu hoffen, dass alle Aktionäre mitziehen, „sonst geht es nicht“, wurde er zitiert.
Neuer starker Mann Geiwitz
Der neue starke Mann, der Sanierungsexperte Geiwitz, soll als eine Art Generalbevollmächtigter fungieren und darüber hinaus die Stimmrechte ausüben, die Benko und seine Stiftungen haben. Kommt es so, was bisher nicht in trockenen Tüchern ist, steht Benko vor dem Aus. Der umtriebige Unternehmer kontrolliert etwa die Hälfte der Anteile seiner Signa-Gruppe. In Deutschland ist er vor allem als Eigentümer der Kaufhauskette Galeria bekannt, die aus dem Zusammenschluss von Karstadt und Kaufhof entstand. Der österreichische Baumagnat Haselsteiner ist einer der Hauptaktionäre des geschätzt 23 Mrd. Euro schweren Immobilienimperiums von Benko. Haselsteiner fordert seine Mitinvestoren auf, der Signa Holding GmbH mehr Mittel zur Verfügung zu stellen, um eine geordnete Rettung zu ermöglichen. Er entwickelt sich damit zur treibenden Kraft bei der Umstrukturierung des Unternehmens, das mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen hat, die zum Stopp einiger Bauprojekte geführt haben, darunter der Elbtower in Hamburg.
Milliardenschwere Schulden
Signa-Sanierer Geiwitz, der aus der Lufthansa-Krise während der Pandemie bekannt ist, steht vor einer Herkulesaufgabe. Er muss sich einen Gesamtüberblick über die Liquiditäts- und Vermögenslage des verschachtelten Imperiums mit einer Großzahl an Gesellschaften verschaffen, die Assets ordnen und die werthaltigen, solide finanzierten Immobilienbestände von den problematischen trennen. Und vor allem muss er neue Geldgeber finden.
Benko war auf Milliarden von Fremdkapital angewiesen, um seine Signa zum bedeutenden Immobilieneigentümer in Europa zu machen. Steigende Zinssätze und sinkende Immobilienpreise haben jedoch inzwischen dazu geführt, dass Banken zögern, mehr Kredite zu geben, auch weil die Europäische Bankenaufsicht genau hinschaut.
Für Außenstehende kaum durchschaubar
Voraussetzung fürs Überleben ist nun, die organisatorischen Mängel zu beseitigen und für eine akzeptable Corporate Governance zu sorgen. Schließlich ist die fehlende Transparenz ein wesentlicher Grund für das ganze Desaster. Für Außenstehende ist das Konglomerat kaum durchschaubar, aktuelle Finanzkennzahlen sind Mangelware. Als privat geführte Gruppe unterliegt Signa keinen strengen Veröffentlichungsvorschriften. Es gibt keinen Konzernabschluss.
Die Signa Prime Selection AG ist Miteigentümerin des Kaufhauses Selfridges in London und plant den gerade erst gestoppten Bau des Elbtowers, Deutschlands höchstem Gebäude außerhalb Frankfurts, wo der Commerzbank-Turm alles überragt. Das Unternehmen verbuchte im Jahr 2022 einen Nettoverlust von 750 Mill. Euro, nachdem es eine Abschreibung von 1,17 Mrd. Euro auf Immobilienbewertungen vorgenommen hatte. Und Signa Retail Selection, in der wesentliche Handelsaktivitäten gebündelt sind, weist für das im September 2022 abgeschlossene Geschäftsjahr mit fast 1,4 Mrd. Euro einen Milliardenverlust aus.
Wie eine Rettung von Signa konkret aussehen kann, ist bisher unklar. Diskutiert wird über ein mehrmonatiges Stillhalteabkommen zwischen Gesellschaftern und Gläubigern. Andere Beobachter halten eine Insolvenz in Eigenverwaltung für möglich. Auch zur Höhe der notwendigen Finanzspritze gibt es keine verlässlichen Angaben. Es zeichnet sich aber ab, dass zur Rettung mehrere Hundert Millionen Euro erforderlich sind.
Fitch stuft Anleihe herab
Die Krise des Immobilienimperiums hat die Ratingagentur Fitch veranlasst, die Signa Development Selection AG, Emittentin einer Anleihe über 300 Mill. Euro, auf „CCC“ herabzustufen. Dabei verwiesen die Bonitätswächter auf die Liquiditätsprobleme, über die der Entwickler von Büro- und Wohnanlagen, Einzelhandelsobjekten und Hotels unlängst seine Gesellschafter informiert hatte, sowie die Finanzierungsprobleme anderer Firmen der Gruppe.
Schon im Juni 2023 hatte Standard & Poor´s die Signa Development Selection, deren Bruttoentwicklungswert die Ratingagentur auf 7,9 Mrd. Euro schätzt, auf „B−“ herabgestuft. Das Unternehmen, das zu 53,6% der 1999 von Benko gegründeten Signa Holding gehört und insgesamt rund 2 Mrd. Euro Schulden hat, habe „schwächere Kreditkennzahlen als erwartet berichtet, was hauptsächlich auf einen starken Einbruch der Nachfrage nach Gewerbeimmobilien, die Verzögerung der geplanten Verkäufe von Entwicklungsprojekten aufgrund steigender Zinsen und Unsicherheiten bei den künftigen Bewertungen von Gewerbeimmobilien zurückzuführen ist“, kommentierte Analystin Manish Kejriwal in Dublin.
Weit verzweigtes Geflecht
Neben den beiden Hauptgeschäftsbereichen Immobilien und Handel ist Signa auch im Mediensektor unterwegs. Sie hält Beteiligungen an den österreichischen Tageszeitungen „Kronen Zeitung“ und „Kurier“. Der Immobilienzweig disponiert laut Homepage über 27 Mrd. Euro Bruttovermögenswert. Hinzu kämen 25 Mrd. Euro Bruttoentwicklungsvolumen, die sich weitestgehend auf künftige Vorhaben beziehen. Die wichtigsten Immobilien in Österreich, Deutschland und anderen europäischen Ländern sind in der Signa Prime Selection gebündelt, darunter das KaDeWe-Gebäude in Berlin und das Renommier-Entwicklungsprojekt Elbtower in der Hamburger Hafencity, dessen Bau ins Stocken geraten ist.
Signa Prime zählt sich zu den größten Immobilienfirmen Europas. Daneben steht der US-Ableger mit dem bekannten Chrysler Building in New York. Zum Handelssektor gehören neben Galeria die britische Luxuswarenhausgruppe Selfridges, die Schweizer Warenhauskette Globus, das Luxuskaufhaus KaDeWe und zahlreiche Online-Plattformen.
Die prominenten Signa-Anteilseigner könnten jetzt einen Anreiz haben, weiteres Geld nachzuschießen, da Eigenkapitalinvestoren im Falle einer Insolvenz in der Regel am Ende der Schlange stehen, um ihr Geld zurückzubekommen. Roland Berger, der deutsche Beratungsexperte, hat eine Verkaufsoption ausgeübt, um seinen Anteil von 1,6% an Signa Prime zurück zu verkaufen.
Kühne als Miteigentümer
Der Logistikunternehmer Kühne, der 10% des Unternehmens besitzt, hat Forderungen nach einer direkten Beteiligung an dem ausgesetzten Elbtower-Projekt in seiner Heimatstadt Hamburg zurückgewiesen. Wie schlecht es um die Signa-Finanzen steht, wurde spätestens durch die Insolvenz des Online-Sporthändlers Signa Sports United (SSU) und etlicher Tochtergesellschaften im vergangenen Oktober deutlich. Die Unternehmen rutschten in die Pleite, nachdem die Signa Holding eine Finanzierungszusage über 150 Mill. Euro stoppte. Signa zog damit die Reißleine bei der SSU, die erst vor zwei Jahren an die New Yorker Börse gebracht worden war – per Fusion mit einem Spac (Special Purpose Acquisition Company).
Nun muss der Sanierungsexperte Geiwitz den Umfang der Finanzierungslücken ermitteln. Dieser Prozess könne drei bis vier Wochen dauern, wurde Haselsteiner zitiert.
Zu den unmittelbaren Rückzahlungsverpflichtungen gehören eine privat begebene Anleihe in Höhe von 200 Mill. Euro, die Ende November fällig wird, und Genussrechte, die zum Jahresende fällig werden, wie laut Nachrichtenagentur Bloomberg aus dem Jahresbericht von Signa Prime hervorgeht. „Niemand weiß, wie hoch der Betrag für die Aktionäre sein wird“, sagte Haselsteiner der „Tiroler Tageszeitung“. Das Unternehmen werde nicht zerschlagen, „aber es wird sicher verschlankt werden müssen“.
Bewertungsverluste statt -gewinne
Während des langen Immobilienbooms profitierte Signa von üppigen Bewertungsgewinnen, die den Weg für neue Kredite frei machten. Dieses Wechselspiel hat sich inzwischen ins Gegenteil verkehrt. Die fallenden Immobilienwerte zehren am Eigenkapital. Die rapide gestiegenen Zinsen verteuern die Finanzierung, ein Faktor, der der gesamten Immobilienbranche zu schaffen macht. Hinzu kommt der rasante Anstieg der Baumaterialpreise. Es müssen Verkäufe her, um die Verschuldung einzudämmen und Liquidität zu generieren. Signa hat bereits etliche Beteiligungen und Immobilien abgestoßen, darunter die österreichische Möbelkette Kika/Leiner, die bald danach Pleite machte. Die Hälfte der Anteile am KaDeWe-Gebäude in Berlin ging an die thailändische Central Group. Im Juni erwarb der Sachwerte-Assetmanager Commerz Real das Hochhausprojekt „Mynd“ und das Galeria Weltstadthaus am Alexanderplatz in Berlin von Signa. Im August 2022 hatte Commerz Real über den offenen Immobilienfonds Hausinvest 25% des Elbtower-Projekts übernommen.
Immens gestiegene Baukosten
Von den immens gestiegenen Baukosten ist Signa aufgrund des hohen Volumens der Projektentwicklungen besonders betroffen. Ständig ist frisches Geld notwendig, um den Weiterbetrieb der Baustellen zu finanzieren. In Deutschland sind in den vergangenen Wochen bereits diverse größere Bauträger in die Knie gegangen, darunter die Gerchgroup aus Düsseldorf mit 4 Mrd. Euro Projektvolumen, die Nürnberger Project-Gruppe, der Luxusimmobilien-Bauträger Euroboden aus Grünwald bei München, die Düsseldorfer Development Partner und die Hamburger Revitalis. Im Juli war bereits der Projektentwickler Centrum in die Insolvenz gerutscht. Bauträger fungieren als Generalunternehmer. Sie drehen ein großes Rad, weil sie für riesige Beträge Material und Handwerksleistungen einkaufen und diese Ausgaben dann an den Abnehmer des Objekts weiterreichen. Die Projekte erstrecken sich über Jahre, was das Risiko impliziert, dass sich Rahmenbedingen – wie jetzt – grundlegend ändern.
Nach der Bauunterbrechung beim Elbtower hat Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher staatliche Finanzhilfen für das Großprojekt ausgeschlossen. Die Stadt werde „keine finanziellen Belastungen übernehmen“, sagte der SPD-Politiker.