Notiert inFrankfurt

Das stabile Vorbild darf jetzt chillen

Markenzeichen Menschlichkeit: Der Bahnbabo, Frankfurts beliebtester Straßenbahnfahrer, geht in Rente. Und eine ganze Stadt bedankt sich bei ihm dafür, dass er so ist, wie er ist.

Das stabile Vorbild darf jetzt chillen

Notiert in Frankfurt

Das stabile Vorbild darf jetzt chillen

Von Lutz Knappmann

Dass Menschen ungeduldig auf die Ankunft der Straßenbahn warten, ist in einer hektischen Metropole wie Frankfurt nicht weiter ungewöhnlich. An diesem Mittwochmittag freilich warten die Fahrgäste am Hauptbahnhof – und mit ihnen zahlreiche Reporter, Radio- und Kamerateams – eigentlich gar nicht auf die Tram, sondern auf deren Fahrer: Am Steuer des Zugs der Linie 11, Abfahrt 13:04 Uhr vom Bahnhofsvorplatz in Richtung Fechenheim, sitzt der „Bahnbabo“. Zum letzten Mal. Frankfurts, ja eigentlich sogar Deutschlands, berühmtester Straßenbahnfahrer absolviert seine letzte Schicht. Danach geht er in Rente.

Man sieht Peter Wirth, wie er mit richtigem Namen heißt, sein für diesen neuen Lebensabschnitt erforderliches Alter nicht an. Dass Wirth auf seine Gesundheit achtet und sich fit hält, ist eine milde Untertreibung: Seine Oberarmmuskulatur hat einen Umfang erreicht, der inzwischen ein fast so selbstverständlicher Teil seiner Biografie ist wie seine Ausbildung zum Elektroinstallateur. Das Internet ist voll von Bildern, auf denen Wirth einen selbst für wesentlich jüngere Männer kaum zu bewältigenden Spagat vollführt.

Viraler Bahnbabo

Der 63-Jährige, braungebrannt, raspelkurze, weiße Haare, dunkle Pilotenbrille, hat es weit über Frankfurt hinaus zu Berühmtheit gebracht, seit er vor mehr als einem Jahrzehnt eine Gruppe aufmüpfiger und aggressiver Jugendlicher in seiner Bahn beruhigte. Mit ein paar Übungen aus seinem Kraftsport-Repertoire beeindruckte er die jungen Unruhestifter dermaßen, dass sie dem durchtrainierten Tramfahrer respektvoll den Namen Bahnbabo gaben.

Dank Social Media ging die Geschichte viral, immer mehr Menschen wurden auf den Bahnbabo aufmerksam, auf seine gut gelaunten Ansagen und die humorvollen Gedichte, mit denen er seine Passagiere empfängt, auf seinen von Hawaii inspirierten, lässigen Handgruß. Vor allem aber auf einen Mann, der authentisch ist, der den Menschen um sich herum mit Wertschätzung und Zugewandtheit begegnet. Was in diesen Tagen so selten geworden ist, dass Wirth zum Vorbild wurde für eine ganze Generation junger Menschen in der Region und darüber hinaus.

Soziales Engagement

Weil Wirth seine Bekanntheit als Bahnbabo dafür nutzt, sich sozial zu engagieren und anderen Menschen zu helfen, wächst seine Fan-Base weiter. Als Wirth 2023 als parteiloser Kandidat bei der Oberbürgermeisterwahl antrat, brachte er es auf einen beachtlichen vierten Platz.

Nun, an seinem letzten Arbeitstag, macht dem Bahnbabo der damalige Wahlsieger, SPD-Oberbürgermeister Mike Josef, an der Endstation der Linie 11 seine Aufwartung und gratuliert zu 36 Jahren im Tram-Führerstand und ähnlich vielen Jahren voller Engagement für die Menschen in Frankfurt.

Es ist nicht zu erwarten, dass Wirth seinen sozialen Einsatz in Zukunft reduzieren wird. Denn, und das ist das eigentliche Phänomen Bahnbabo, im Grunde geht es um nicht mehr und nicht weniger, als menschlich zu sein.