KommentarSouveränitätsfonds

Das Timing für frische EU-Anleihen muss stimmen

Von der Idee eines Souveränitätsfonds samt neuer EU-Anleihen ist kaum etwas übrig geblieben. Das ist in der jetzigen Phase gut so.

Das Timing für frische EU-Anleihen muss stimmen

Souveränitätsfonds

Das Timing muss stimmen

Von Stefan Reccius

Was waren das für große Pläne! EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen warb im Winter eifrig für einen neuen Geldtopf, sie taufte ihn: Souveränitätsfonds. Es ging ihr um frische Milliarden für Europas industrielle Wettbewerbsfähigkeit und darum, eine neue Generation gemeinschaftlicher Schulden aufzulegen. Der Wiederaufbaufonds hat sie angefixt, denn der ermöglicht ihrer Behörde erstmals in großem Umfang die Ausgabe von EU-Anleihen.

Wenige Monate später ist die EU-Kommission davon abgerückt. Für den aktualisierten EU-Haushalt will sie den Regierungen mickrige 10 Mrd. Euro zusätzlich für die Förderung ausgewählter Schlüsseltechnologien abringen. Vom ursprünglichen Vorhaben eines Souveränitätsfonds ist kaum etwas übrig.

Das ist – zumindest für den Moment – gut so. Anfangs mag die Erzählung vom Souveränitätsfonds halbwegs plausibel geklungen haben. Alle Augen richteten sich auf den amerikanischen Inflation Reduction Act (IRA), ein Subventionsprogramm in der Größenordnung von knapp 400 Mrd. Dollar. Der IRA erstreckt sich allerdings auf knapp zehn Jahre, was den Umfang relativiert.

Die EU hat mit dem 800 Mrd. Euro schweren Wiederaufbaufonds bereits ein Förderprogramm, das in erster Linie für den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft gedacht ist. Nicht an Geld fehlt es, sondern an effizienten Förderinstrumenten. Die USA wuchern mit Steuerrabatten und Energiepreisgarantien. Der EU-Kommission ist das verwehrt. Die Folge sind zähe Antragsverfahren und das latente Risiko, dass Subventionen schlussendlich an den Beihilferegeln scheitern.

Inzwischen mehren sich Zweifel, ob die Zuschüsse und Darlehen aus dem Wiederaufbaufonds bis 2026 überhaupt vollständig abfließen werden. Ihn zeitlich zu strecken, dürfte aus rechtlichen Gründen ausscheiden: Vor dem Bundesverfassungsgericht hat der Wiederaufbaufonds nur aufgrund der strikten zeitlichen Befristung bestanden.

Überhaupt: Ein weiterer, schuldenfinanzierter Geldtopf passt nicht in die Zeit. Denn er würde die eigentliche Botschaft der EU-Kommission konterkarieren: Sie fordert die EU-Staaten immer eindringlicher zur Sparsamkeit auf, aus guten Gründen. Vor diesem Hintergrund wäre es aberwitzig, an dem Vorhaben eines Souveränitätsfonds festzuhalten.

Das sind keine grundsätzlichen Vorbehalte. In irgendeiner Form wird die Fiskalunion kommen. Die Finanzmärkte sind bereit, wie der reißende Absatz von EU-Anleihen zeigt. Aber das Timing muss passen, gerade politisch. Das ist beim Souveränitätsfonds nicht der Fall.

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