Washington

Dauerkrise bei der US-Post bindet Biden die Hände

Kaum eine Personalentscheidung des früheren US-Präsidenten Donald Trump löste so viel ungläubiges Kopfschütteln aus wie vor zehn Monaten die Ernennung des Geschäftsmannes Louis DeJoy zum neuen Chef der Bundespost. Schließlich sollte zum ersten Mal...

Dauerkrise bei der US-Post bindet Biden die Hände

Kaum eine Personalentscheidung des früheren US-Präsidenten Donald Trump löste so viel ungläubiges Kopfschütteln aus wie vor zehn Monaten die Ernennung des Geschäftsmannes Louis DeJoy zum neuen Chef der Bundespost. Schließlich sollte zum ersten Mal seit fast 30 Jahren eine Person die Organisation mit ihren über 630000 Mitarbeitern leiten, die nicht über die geringste Erfahrung beim U.S. Postal Service (USPS) verfügt. Heute wundern sich hingegen genauso viele Amerikaner, warum Präsident Joe Biden, der ein völlig neues Kabinett zimmerte, nicht auch den umstrittenen Postdirektor längst vor die Tür gesetzt hat. Bidens Problem: Er kann das nicht, zumindest nicht vor Jahresende.

Zur Erinnerung: Sehr bald nach der Ernennung des neuen „Postmaster General“ schien sich herauszustellen, dass Trump mit der Berufung DeJoys nicht nur einem Freund und Spender, der für die Präsidentschaftskampagne des Republikaners fleißig Gelder gesammelt hatte, eine Gefälligkeit erweisen wollte. Auch verbargen sich hinter der Entscheidung politische Beweggründe.

Seit Monaten hatte Trump gegen die Briefwahl gewettert, die wegen der Corona-Pandemie eine wichtigere Rolle spielen würde als bei jeder anderen Präsidentschaftswahl. Prompt schritt sein neuer Postchef daher zur Tat und ordnete drakonische Sparmaßnahmen an, die auf Verzögerungen bei der Zustellung abzuzielen schienen. Das wiederum hätte am 3. November Trump einen wichtigen Wettbewerbsvorteil verschafft. Nachweislich entschieden sich nämlich vor allem Demokraten, ihre Stimmzettel einzuschicken, während Republikaner ungeachtet geltender Kontaktbeschränkungen und der Gesundheitsrisiken den persönlichen Gang ins Wahllokal vorzogen.

Indes versetzte DeJoys Sparkurs demokratische Politiker ebenso wie Tausende von USPS-Mitarbeitern in Rage. In den Monaten vor der Wahl ließ er Tausende von Briefkästen von Straßenecken entfernen, ebenso wie Sortiermaschinen in Postämtern. Auch verbot er seinen Mitarbeitern, Überstunden zu leisten, selbst während der hektischen Weihnachtszeit, in der die Post typischerweise zusätzliche Teilzeitkräfte einstellen muss.

Auf das Ergebnis der Wahl hatten die Verzögerungen keinen Einfluss, weil die Staaten sehr zum Leidwesen des ehemaligen Präsidenten auch spät eintreffende Stimmzettel zählten, seinerzeit der Ursprung von Trumps „Großer Lüge“ über eine angeblich gestohlene Wahl. Wirkung zeigten dafür DeJoys Sparmaßnahmen in anderen Bereichen: Bis zur Wahl war der Anteil pünktlich zugestellter Briefe, der sich in der Regel über 90% bewegt, auf weniger als 70% gesunken und erreichte Weihnachten den historischen Tiefststand von 62%. Leidtragende waren vor allem vorerkrankte Menschen, die oft mit Verspätung lebenswichtige Medikamente erhielten.

Nun hat DeJoy nachgelegt und ein zehnjähriges Sparprogramm verkündet, das die Post, die 2020 einen Verlust von 9,2 Mrd. Dollar einfuhr, wieder in die schwarzen Zahlen führen soll. Preise für Briefmarken sollen weiter erhöht, Lieferfristen bewusst verlängert und die Öffnungszeiten der Postämter verkürzt werden. Nur so könne er den USPS, der sich selbst finanziert und immer weniger Steuervergünstigungen vom Staat erhält, wieder in die Gewinnzone steuern, argumentiert der Geschäftsmann.

Wie Berater sagen, würde Biden den Postmaster General gern vorzeitig seines Amtes entheben. Das Problem: Biden kann das nicht, zumindest vorläufig nicht. Im Gegensatz zu Kabinettsmitgliedern, die er beliebig entlassen kann, ist es nämlich allein Sache des Vorstands, dem DeJoy und neun Gouverneure angehören, den Postchef zu feuern. Das durchweg politische Gremium besteht aber derzeit aus fünf Republikanern und zwei Demokraten, während drei Sitze vakant sind.

Selbst wenn der Präsident diese mit drei Demokraten besetzt, würde das nicht ausreichen, um den kontroversen Postdirektor in den vorzeitigen Ruhestand zu schicken. Im Dezember läuft aber die Amtsperiode des Republikaners John Barger aus, der ebenfalls für Trump Spenden sammelte. Noch vor Jahresende könnte Biden dann vier Demokraten im Vorstand haben und den unbeliebten Postmaster General aus dem Amt jagen.