LeitartikelUS-Aktienmarkt

Dem S&P 500 droht eine Korrektur

Vor allem wegen der völlig übertriebenen Kursentwicklung der großen US-Technologiekonzerne droht dem S&P 500 eine Korrektur. Mit Blick auf die hohe politische Instabilität in den USA und international ist sogar ein Crash nicht gänzlich auszuschließen.

Dem S&P 500 droht eine Korrektur

US-Aktienmarkt

Dem S&P 500 droht eine Korrektur

Von Dieter Kuckelkorn

Mit Blick auf die hohe politische Instabilität ist sogar ein Crash nicht gänzlich auszuschließen.

Der amerikanische Aktienmarkt hat sich zuletzt sehr positiv entwickelt. Der wichtigste Benchmark-Index S&P 500 ist kürzlich erstmals über die Marke von 5.000 Punkten geklettert. In den vergangenen drei Monaten hat er um immerhin 14% zugelegt und im bisherigen Jahresverlauf schon mehr als 5%. Im historischen Vergleich ist die Performance beeindruckend: Von den vergangenen 15 Wochen hat es 14 mit einem Gewinn des S&P 500 gegeben. So etwas war zuletzt in den frühen 1970er Jahren zu beobachten.

Damit hat Wall Street beispielsweise den deutschen Aktienmarkt abgehängt, der Dax hat seit Jahresanfang nur rund 1% hinzugewonnen. Viele Analysten sind gleichwohl zuversichtlich, dass es am amerikanischen Aktienmarkt auch im laufenden Jahr weiter aufwärtsgehen wird, wenn auch nicht mehr im gleichen Ausmaß wie 2023.

Allerdings mehren sich die Warnzeichen, dass es zu einer Korrektur im S&P 500 kommen könnte, weil am amerikanischen Aktienmarkt wieder einmal eine ganze Reihe von Übertreibungen klar erkennbar sind. So befindet sich beispielsweise die Risikoprämie für amerikanische Aktien, gemessen an der um die Rendite von kurzfristigen dreimonatigen amerikanischen Staatspapieren verminderten Ertragsrendite des S&P 500, auf dem niedrigsten Stand seit 23 Jahren. Nur auf dem Höhepunkt der Dotcom-Überbewertungsblase war sie noch niedriger.

Ähnliches ist auch am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P 500 abzulesen. Es liegt derzeit bei 27, also auf einem ziemlich luftigen Niveau. Zwar war es im Jahr 2001 vor dem Platzen der Dotcom-Bubble mit fast 50 noch einmal deutlich höher. Man sollte aber nicht vergessen, dass beispielsweise in den frühen 1980er Jahren ein Niveau von 7 üblich war.

Der Dax kommt übrigens aktuell auf ein KGV von etwas weniger als 13.

Allerdings manifestieren sich die Übertreibungen am amerikanischen Markt vor allem in den Aktien der "Magnificent Seven", also der großen US-Technologiekonzerne. Deren Kurs-Performance lässt sich rational kaum noch begründen. So weist beispielsweise Nvidia inzwischen dieselbe Marktkapitalisierung auf wie der gesamte chinesische Aktienmarkt, gemessen an den H-Aktien. Allein in den vergangenen zwei Monaten hat der Börsenwert von Nvidia um die gesamte Marktkapitalisierung von Tesla zugenommen. Und an einem einzigen Handelstag, nämlich am 2. Februar, hat die Facebook-Muttergesellschaft Meta Platforms nicht weniger als 197 Mrd. Dollar an Wert zugelegt. Aktie und Unternehmen haben sich dabei um rund 20% verteuert. Seit Jahresbeginn haben die "Magnificent Seven" einen Kursanstieg von mehr als 9% verzeichnet, der Rest der Aktien im S&P 500, also quasi der "S&P 493", hingegen nur ein Plus von rund 2%.

Besonders aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass Großinvestoren wie Meta-Chef Mark Zuckerberg und Amazon-Gründer Jeff Bezos derzeit Aktien ihrer Unternehmen verkaufen. Das bedeutet, dass die Insider angesichts der enormen Kursgewinne längst kalte Füße bekommen haben. Und ferner haben auch die Analysten von Goldman Sachs jetzt gewarnt, dass hinsichtlich der großen Technologieaktien die Gefahr eines Stimmungsumschwungs zugenommen habe.

Der S&P 500 hat sich auch weit von der Entwicklung der Indikatoren für die amerikanische und die Weltkonjunktur abgesetzt. So gilt beispielsweise der Kupferpreis stets als ein guter Indikator für die Weltkonjunktur, in der Vergangenheit wies der Kupferpreis meist eine ziemlich hohe Korrelation zum S&P 500 auf. Aktuell jedoch ist der S&P 500 dem Kupferpreis weit nach oben entrückt, die Schere ist so weit offen wie seit vielen Jahren nicht mehr.

Sollten die Investoren sich dafür entscheiden, im größeren Stil aus den großen Technologieaktien zu fliehen, stellt sich die Frage, ob sich der Rest des S&P 500 dem Abwärtstrend entziehen kann. Dagegen spricht beispielsweise, dass sich nicht nur die deutsche, sondern auch die amerikanische Industrie in einer tiefen Krise befindet. So hielt sich der Manufacturing Index der amerikanischen Notenbankfiliale von Philadelphia in 18 der vergangenen 20 Monate in negativem Terrain auf.

Und es gibt noch einen weiteren Faktor, der den amerikanischen Aktienmarkt in den kommenden Monaten belasten könnte. Im laufenden Jahr will das amerikanische Finanzministerium 10 Bill. Dollar an den Finanzmärkten aufnehmen. Davon entfallen 1,4 Bill. Dollar – manche Beobachter gehen sogar von 2 Bill. Dollar aus – auf die Neuverschuldung. Da ausländische Investoren US-Treasuries zunehmend meiden, müssen verstärkt amerikanische Anleger ran. Somit nimmt der Wettbewerb um für die Kapitalanlage bereitstehende Mittel in den USA zu.

Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass es am amerikanischen Aktienmarkt zu einer Korrektur kommt, getragen von den großen Technologieaktien. Mit Blick auf die hohe politische Instabilität in den USA und weltweit ist sogar ein regelrechter Crash nicht gänzlich ausgeschlossen.