Im BlickfeldPrivate Equity

Der deutschen Private-Equity-Branche droht ein Steuerskandal

Die unklar umrissene steuerliche Einstufung als Vermögensverwalter bringt die mittelständische deutsche Private-Equity-Szene in die Bredouille. Die Staatsanwaltschaft in München ermittelt seit Jahren gegen rund 20 Adressen mit dem Verdacht der Steuerhinterziehung.

Der deutschen Private-Equity-Branche droht ein Steuerskandal

Staatsanwaltschaft beleuchtet Steuerpraxis deutscher Private-Equity-Firmen

Die unklar umrissene Einstufung als Vermögensverwalter bringt die Finanzinvestoren in die Bredouille.

cru/sck/wf Frankfurt/München/Berlin
Von Stefan Kroneck, München, Christoph Ruhkamp, Frankfurt, und Angela Wefers, Berlin

Die mittelständische deutsche Private-Equity-Szene ist überwiegend in München versammelt. Bis vor kurzem fühlten sich die hiesigen Finanzinvestoren dort in Bayerns Hauptstadt wohl. Doch seit einiger Zeit ermittelt die Staatsanwaltschaft München, gefüttert von den Betriebsprüfern des Finanzamts, gegen rund 20 Adressen – darunter Berater, Manager und Gründer. Der Verdacht lautet auf Steuerhinterziehung. Es geht um die Frage, ob das Geschäftsgebaren der Private-Equity-Firmen ihren lange eingeübten und vorteilhaften steuerlichen Status als Vermögensverwalter mit Fonds in Luxemburg rechtfertigt – oder ob sie in Wirklichkeit einem gewerblichen Geschäft nachgehen. Laut Finanzkreisen gab es unter anderem vor eineinhalb Jahren eine Durchsuchung bei einer Kanzlei in Berlin, die viele der jetzt untersuchten Fondsstrukturen aufgesetzt oder zumindest rechtlich beraten hat. Es wurden mehrere Tausend Datensätze beschlagnahmt. Bis heute jedoch wurde keine Anklage erhoben.

Die Einstufung als „privat vermögensverwaltend“ ist die entscheidende Basis dafür, um entsprechende Private-Equity-Fonds in Deutschland möglich zu machen – besser gesagt, um sie für ausländische Investoren „investierbar“ zu machen. Denn bei Gewerblichkeit würden diese Investoren so behandelt, als würden sie sich an einem gewerblichen Unternehmen beteiligen. Die Gewerblichkeit würde dazu führen, dass diese ihre Einkünfte aus dem betroffenen Fonds in Deutschland versteuern und hier eine Steuererklärung abgeben müssten. Dies ist im Bereich der Kapitalanlage jedoch völlig untypisch bzw. weltweit nahezu einmalig und würde von entsprechenden Investoren, wie etwa US-Pensionsfonds, aller Voraussicht nach im Grundsatz nicht akzeptiert. Insofern steht auch der Fondsstandort Deutschland auf dem Spiel.

Staatsanwaltschaft hält sich bedeckt

Die Staatsanwaltschaft München I hält sich über den Stand der Ermittlungen bedeckt. „Da Steuerstraftaten betroffen sein könnten, können wir wegen des Steuergeheimnisses nach der Abgabenordnung keinerlei Auskünfte geben“, sagte eine Sprecherin der Behörde auf Nachfrage. Rechtsgrundlage ist Paragraf 30 der Abgabenordnung. Demnach haben Amtsträger das Steuergeheimnis zu wahren.

Das Verfahren zieht sich aufgrund der Komplexität des Sachverhalts seit einigen Jahren hin. Insbesondere die Sichtung und Auswertung beschlagnahmter Geschäftsdokumente, digitaler Datensätze mit E-Mail-Verkehr nimmt viel Zeit in Anspruch. Die Behörde selbst hatte im Herbst 2020 in der Angelegenheit ein Strafverfahren eingeleitet, das heißt, konkrete Ermittlungen aufgenommen. 2019 waren erste Vorermittlungen angelaufen. Wie üblich in solchen Fällen ist auch die Steuerfahndung eingeschaltet.

Seit 2020 wird ermittelt

Im Juni 2022 berichtete die Börsen-Zeitung erstmals exklusiv über die Causa (vgl. BZ vom 22.6.2022). Im Verdacht stehen rund 20 Private-Equity-Fondsgesellschaften, die überwiegend in der bayerischen Landeshauptstadt ansässig sind. Die Strafermittler gehen konkret dem Verdacht nach, dass diese Unternehmen und deren Manager jahrelang Körperschaft-, Gewerbe- und Kapitalertragsteuer hinterzogen haben könnten zugunsten ausländischer Kapitalbeteiligungsgesellschaften, vornehmlich mit Sitz in Großbritannien und in Luxemburg. Im Falle von Anklagen der Staatsanwaltschaft müssten die zuständigen Gerichte – konkret das Landgericht München I und das Finanzgericht München – die Schriftstücke auf Zulassung prüfen, um mögliche Prozesse vor Wirtschaftsstrafkammern einzuleiten.

Private-Equity-Firmen und ihre Berater befürchten, dass die Finanzverwaltung und die Staatsanwaltschaft München die zum Teil unklaren Formulierungen des alten BMF-Schreibens vom Dezember 2003 entgegen einer bestehenden und nahezu 40-jährigen Praxis anders bzw. verschärft auslegen und anwenden. „Im genannten BMF-Schreiben ist unter anderem festgehalten, dass sich der Private-Equity-Fonds und sein Management nicht am aktiven Management der Portfoliogesellschaften beteiligen dürfen“, sagt ein langjähriger und erfahrener Berater, der nicht namentlich genannt werden will. „Nur wenn dieses und eine Reihe anderer Kriterien erfüllt sind, wird der Private-Equity-Fonds steuerlich als vermögensverwaltend behandelt und der Fonds und dessen Investoren wie weltweit und insbesondere innerhalb der EU als Kapitalanleger besteuert.“ Das bedeute, dass der Fonds keiner Besteuerung unterliegt und dass der jeweilige Investor nur in seinem Ansässigkeitsstaat besteuert wird und nicht im Belegenheitsstaat des jeweiligen Fonds.

Ausländische Investoren wären in Deutschland steuerpflichtig

Wird der Fonds dagegen steuerlich wie ein Gewerbetrieb behandelt – wie üblicherweise etwa eine Druckerei oder ein Schraubenhandelsunternehmen –, so unterliegt der Fonds der Gewerbesteuer und ausländische Investoren werden im Inland steuer- und steuererklärungspflichtig. „Dies ist im Bereich von Kapitalanlagen jedoch weltweit vollkommen unüblich und durchbricht bestehende Wertungen im internationalen Steuerrecht“, warnt der Berater. „Durch die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wird eine jahrelang in gutem Glauben geübte und von den Finanzverwaltungen akzeptierte Praxis zu Unrecht kriminalisiert. Dies betrifft vor allem eine Reihe von Managern in diesem Bereich, die sich über Jahre einem laufenden Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen und mit der Furcht vor einer Gefängnisstrafe wegen Steuerhinterziehung leben müssen.“ Nicht zuletzt habe diese Entwicklung und die damit verbundene Unsicherheit erheblich negative Auswirkungen auf den Fondsstandort Deutschland.

Dem Bundesfinanzministerium (BMF) in Berlin liegen zu „einzelnen steuerstrafrechtlichen Verfahren“ im Private-Equity-Bereich, „keine Erkenntnisse“ vor, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit. Die rechtliche Lage wird anders als in der PE-Branche jedoch nicht als problematisch angesehen. „Die Abgrenzung zwischen vermögensverwaltenden und gewerblichen Fonds ist unter Heranziehung der Kriterien im BMF-Schreiben zur einkommensteuerlichen Behandlung von Venture Capital und Private-Equity-Fonds (sog. Private-Equity-Erlass) vom 16. Dezember 2003 im jeweiligen Einzelfall rechtssicher möglich“, erklärte die Sprecherin weiter.

Bundesländer sind zuständig

Faktisch sind die Bundesländer mit ihren Finanzverwaltungen für konkrete Steuerfälle zuständig. BMF-Schreiben werden vom Bundesfinanzministerium in Abstimmung mit den Ländern erlassen, um eine einheitliche Auslegung der Steuergesetze in ganz Deutschland zu gewährleisten. Gewisse Grenzen für die Gesetzgebung und untergesetzliche Regelungen wie BMF-Schreiben sind Bund und Ländern indessen durch die Rechtsprechung, etwa des Bundesfinanzhofs, und europäische Vorgaben im Beihilferecht gesetzt.

Schwierige Abgrenzung

Die Abgrenzung zwischen steuerfreier Vermögensverwaltung und steuerpflichtiger Gewerblichkeit ist in Berlin in einem anderen Zusammenhang aktuell. Im Wachstumschancengesetz, das nach dem Widerstand der Länder im Vermittlungsausschuss gelandet ist, geht es um solche Fragen bei Investitionen in erneuerbare Energien und in Infrastruktur von offenen Fonds. Der Fondsverband BVI hat frühzeitig darauf verwiesen, dass solche – vonseiten der Politik gewünschten Finanzierungen – nur bei einer rechtssicheren steuerlichen Flankierung für den Status der Vermögensverwaltung Aussicht auf Erfolg haben werden. Der Vermittlungsausschuss tagt am 21. Februar.

Auch die Lobby der Privat-Equity- und Venture-Capital-Branche in Berlin dürfte das Steuerthema im Fokus haben. Der Branchenverband BVK äußerte sich auf Anfrage dazu jedoch nicht. Es ist durchaus nicht unüblich, dass mehr als 20 Jahre alte BMF-Schreiben – wie der Private-Equity-Erlass – einer Revision unterzogen werden. Bislang sieht es danach aber nicht aus, auch wenn die Attraktivität des Finanzstandorts Deutschland davon profitieren dürfte.