Im Blickfeld Chinas Finanzmarkttrubel

Der fragile Yuan bringt Peking aus dem Konzept

Chinas Finanzmärkte sind in Unruhe. Ein Schwächeanfall des Yuan ruft die Zentralbank auf den Plan. Sie muss nun ihre Zinspolitik neu überdenken.

Der fragile Yuan bringt Peking aus dem Konzept

Der fragile Yuan bringt Peking aus dem Konzept

Chinas Finanzmärkte sind in schwerer Unruhe. Ein Schwächeanfall des Yuan ruft die Zentralbank auf den Plan. Sie muss nun gar ihre Zinspolitik neu überdenken.

Von Norbert Hellmann, Schanghai

An Chinas Finanzmärkten sind die ersten Januarwochen von einem Stimmungstief geprägt, das insbesondere die Zentralbank ins Schwitzen bringt. Angesichts geballter Sorgen über latente Konsumschwäche, nachlassende Dynamik im Industriesektor, Gefahr einer deflationären Spirale und die drohende Neuauflage eines schweren Handelskonflikts mit den USA gewinnen die Bären wieder die Oberhand. Die Leitindizes am Aktienmarkt haben seit Jahresbeginn mehr als 5% eingebüßt, während sich am Devisenmarkt der Druck auf den Yuan weiter erhöht.

Die von der Zentralbank im Herbst neu aufgestellten Finanzierungslinien zur Anregung von Aktienengagements und Aktienrückkäufen von Unternehmen erzielen beileibe nicht die gewünschte Stabilisierungswirkung. Zuletzt musste das sogenannte „Nationalteam“ staatlicher Investmentvehikel mit Stützungskäufen ran, um einen kräftigeren Niedergang der Leitindizes zu verhindern.

MSCI China im Bärenmodus

Die für die China-Allokation von passiv angelegten Geldern globaler Fonds maßgebliche Benchmark MSCI China Index ist zu Wochenbeginn technisch ins Bärenterritorium übergegangen. Der in der ersten Oktoberwoche nach einer chinesischen Stimulus-Offensive auf ein Hoch bei 76 Punkten hochgeraste MSCI China hat seitdem einen kontinuierlichen Abstieg hingelegt. Am Montag fiel das Barometer auf gut 60 Punkte und hat damit mehr als 20% zum Oktoberhoch eingebüßt.

Dollarstärke funkt dazwischen

Auch beim Yuan halten die Marktteilnehmer den Daumen nach unten. In den vergangenen drei Monaten hat die chinesische Devise gut 3,5% gegenüber dem allgemein erstarkten Dollar verloren. Das mag noch keine dramatische Abwertungsbewegung sein, passt aber überhaupt nicht ins Konzept der chinesischen Staatsführung und des Währungshüters. Ihnen ist derzeit besonders daran gelegen, dass an der Währungsflanke stabile Verhältnisse herrschen, mit denen die von Peking suggerierte Aufhellung der Konjunkturperspektiven reflektiert wird.

Bondrenditen auf Rekordtief

Der dem Amtsantritt von Donald Trump bereits vorauseilende Schwächeanfall des Yuan ist aus mehrerlei Hinsicht ein Problem für Peking. Die Devisenmarkttendenz steht in unheilvoller Wechselwirkung mit der geradezu atemberaubenden Rally am Staatsanleihenmarkt. Chinas langfristige Bondrenditen treiben im fliegenden Tempo weiter nach unten und befinden sich auf historischen Tiefständen.

Im Zusammenspiel mit einem weiteren Renditeauftrieb am US-Staatsanleihenmarkt weitet sich das Renditegefälle chinesischer Titel in der zehnjährigen Frist auf ein noch nie gekanntes Niveau von gut 3 Prozentpunkten aus. Auf Kapitalflussbewegungen übertragen stellt der historisch hohe Renditeabstand in Verbindung mit Skepsis am Aktienmarkt eine Einladung zu Umschichtungen internationaler Gelder weg aus China dar, was den Druck auf die chinesische Währung tendenziell weiter verstärkt.

Dilemma für die PBOC

Aus Sicht der People’s Bank of China (PBOC) tut sich nun ein gewisses Dilemma auf. Sie hat ihre geldpolitische Linie erstmals seit der globalen Finanzkrise vor 15 Jahren wieder mit dem offiziellen Etikett „vorsichtige Lockerung“ versehen. Das ist ein klares Bekenntnis zu einer weiteren Senkung ihrer beiden wichtigsten Leitzinsmarken für siebentägige Repo-Geschäfte am Geldmarkt und der einjährigen Refinanzierungen für Banken im Rahmen der Medium-term Lending Facility (MLF). Ebenfalls angedacht ist eine weitere Rücknahme der Mindestreserveverpflichtungen für Geschäftsbanken.

Schmerzgrenze erreicht

Die PBOC hat ihren „lockeren“ Modus auf Stimulus-Versprechen der Regierung zur jährlichen Wirtschaftsplanungskonferenz im Dezember abgestimmt. Anders als im September trat das Signal jedoch keine weitere Aktienhausse los, sondern heizte lediglich die eher unerwünschte Bond-Rally weiter an. Diese trägt maßgeblich dazu bei, dass der Wechselkurs wie zuletzt im Dezember 2023 die als Schmerzgrenze angesehene Marke von 7,3 Yuan je Dollar passierte und nun weitere Tiefen gegenüber dem Greenback auslotet.

Die Sache mit beherzter monetären Lockerung bei weiterhin unklaren Gegebenheiten zu Pekings vielfach versprochenen fiskalischen Stimuli erweist sich diesmal also eher als Bumerang. Überdies darf man befürchten, dass die Transmission monetärer Impulse in gewisser Weise von der hartnäckigen Deflationstendenz kompromittiert wird. Bei nahe an der Nulllinie klebenden Verbraucherpreisen und dem bereits seit über zwei Jahren anhaltenden Rückgang der Erzeugerpreise übertragen sich Senkungen nominaler Leitzinsen weniger deutlich auf den für Investitionsentscheidungen maßgeblichen Realzins.

Zinssenkung auf Eis?

Wenn Zinssenkungsfantasie keinen neuerlichen Vertrauensschub an der Börse auslöst, sondern den Drang zu sicheren Bondanlagen anheizt und den Yuan über Gebühr belastet, ist sie gar kontraproduktiv. Zuletzt zeigte die Kurve für chinesische Zinsswaps in der ein- und fünfjährigen Frist eine Inversion auf. Das gilt als Anzeichen dafür, dass die Marktteilnehmer ihre bisherige Erwartung einer raschen Senkung von Zinsen und Mindestreservesätzen wieder revidieren oder gar einen Verzicht erwarten. Sie rechnen wohl damit, dass die PBOC mit Rücksicht auf den Yuan ihr monetäres Lockerungsprogramm vorerst auf Eis legen muss.

Konjunkturoptimisten haben damit wenig Greifbares an der Hand. Wenn die Regierung angesichts ungewisser Herausforderungen an der Außenhandelsfront ihr Stimulus-Pulver noch trocken hält und die PBOC ihren Zinssenkungsspielraum wegen der Währungsschwäche gar nicht erst auszureizen wagt, rücken auch Aufschwungperspektiven in weitere Ferne.

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