Der Geist vom Petersberg
Nachdem die Finanzminister und Notenbankchefs der sieben führenden Industriestaaten am Donnerstagmittag ihr „Familienfoto“ geschossen hatten – entstanden war ein für die aktuell so schwierigen Zeiten erstaunlich lockerer Schnappschuss –, meldete sich auch Gastgeber Christian Lindner noch einmal zu Wort: „Dieses G7-Treffen atmet den historischen Geist des Petersberg“, twitterte Deutschlands Finanzminister. Er könne sich kaum einen besseren Ort vorstellen, um die Zusammenarbeit zu vertiefen.
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Der Geist des Petersbergs, den Lindner hier beschwört, zeigte sich vielleicht am besten im „Petersberger Abkommen“ vom November 1949, das entscheidend für die weitere Westintegration der damaligen Bundesrepublik war. Es ging bei den Vereinbarungen der Bonner Regierung unter Kanzler Konrad Adenauer und den Alliierten Hohen Kommissaren unter anderem um die Aufnahme in internationale Organisationen, um Handelsbeziehungen und auch um den Marshallplan zum Wiederaufbau Deutschlands nach dem Krieg. Einige Parallelen zur Ukraine liegen auf der Hand. Auch wenn sich die Finanzminister und Notenbankchefs im Gegensatz zur EU-Kommission noch nicht mit Plänen zum Wiederaufbau eines kriegszerstörten Landes befassen, so ging es auch in der G7 darum, ein milliardenschweres Finanzpaket zu schmieden, um Kiew mit Zuschüssen bei den laufenden Haushaltsausgaben zu unterstützen.
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Die gelöste Atmosphäre auf dem 336-Meter-Hügel am Rande des Siebengebirges mag auch auf die frühsommerlichen Temperaturen zurückzuführen sein, die bis zum Wetterumschwung am Nachmittag herrschten, auf die pittoreske Umgebung mit Blick auf den Rhein, auf Fachwerkhäuser und Weinlokale in und rund um Königswinter. Störende Demonstranten waren auch keine in Sicht. Ein kleinerer Protestzug mit gut 30 Aktivisten war am Mittwoch gesichtet worden. Die eigentliche große Anti-G7-Demonstration im nahen Bonn, die von einem Bündnis linker Gruppen unter dem Motto „G7 in den Rhein fallen lassen“ organisiert wird, findet erst am Samstag statt. Dann sind die ganzen Minister und Zentralbanker aber schon längst wieder zu Hause. Die mehreren Hundert Polizisten und anderen Sicherheitsbeamten, die rund um den Petersberg im Einsatz waren, hatten einen eher ruhigen Tag. Auch von Autounfällen der Delegationen auf der Serpentinenstraße von Königswinter hoch zum Grandhotel wurde nichts bekannt. Bis heute unvergessen ist ja immer noch die knapp 50 Jahre alte Story, als der damalige KPdSU-Generalsekretär Leonid Iljitsch Breschnew auf dem Petersberg im Gästehaus der Bundesregierung einquartiert war und sein Gastgeschenk – ein nagelneues Mercedes-Coupé 450 SLC – auf dieser Strecke gleich geschrottet hat. Ob auch hier der Geist des Petersbergs seine Hände im Spiel hatte? Wer weiß.
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Das Finanzministerium hat versucht, den G7-Skeptikern ein cooles Gewinnspiel entgegenzusetzen, das über Instagram vermarktet wurde: Alle, die in den Tagen vor Start des Finanzminister- und Notenbankchef-Treffens schon im nahegelegenen Bonn waren, konnten vor Ort ein Foto vor sieben Selfie-Spots der teilnehmenden Länder machen („vor landestypischer Kulisse“) und damit an einer Verlosung teilnehmen. Der Hauptpreis: eine exklusive Führung durch den G7-Tagungsort auf dem Petersberg inklusive eines Selfies mit Minister Lindner. Die Anzahl der Likes auf Instagram war überschaubar.
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Und noch ein Geist wehte am Donnerstag durch alte Gemäuer: Die elegante Villa Hammerschmidt – zu Bonner Regierungszeiten erster Amtssitz des Bundespräsidenten und ein Symbol für die damals junge Demokratie – füllte sich wieder mit neuem Leben. Die Minister und Notenbanker tafelten dort nach der obligatorischen Eintragung in das Goldene Buch der Stadt Bonn zum Abend. Gereicht wurden Spargel, Roastbeef und zum Abschluss ein sommerlicher Obstsalat.