KommentarHedgefonds

Der Harvey-Weinstein-Moment der Finanzbranche

Es ist der Harvey-Weinstein-Moment der Finanzbranche. Crispin Odeys Partner haben den Gründer und Mehrheitseigner vor die Tür gesetzt, nachdem ihm sexuellen Missbrauch in zahlreichen Fällen vorgeworfen wurde.

Der Harvey-Weinstein-Moment der Finanzbranche

Sexuelle Belästigung

Branchenbeben in der City

Von Andreas Hippin

Der mächtige Hedgefondsgründer Crispin Odey ist von seinen Partnern vor die Tür gesetzt worden. Es ist der Harvey-Weinstein-Moment der Finanzbranche. Die „ Financial Times“ hatte 13 Frauen gefunden, die ihm sexuelle Belästigung vorwarfen. Die öffentliche Entrüstung darüber sorgte dafür, dass sowohl Dienstleister wie Morgan Stanley als auch Kunden wie Schroders die Reißleine zogen. Einen Fall diesen Ausmaßes hatte es noch nie gegeben. Doch bleiben Fragen offen, vor allem wenn man bedenkt, wie sehr die Branche insgesamt bemüht ist, sich als Hort der Diversität zu feiern. Denn Odey konnte sich offenbar ein Vierteljahrhundert lang benehmen, wie er wollte, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Das sollte doch jemandem aufgefallen sein. Schließlich stand der ehemalige Schwiegersohn von Rupert Murdoch immer wieder im Rampenlicht. Jeremy Hunts Vorgänger im Schatzamt, Kwasi Kwarteng, arbeitete als Analyst für Odey, bevor er auf Politiker umsattelte.

Die Kolumnistin Camilla Long schreibt in der „ Sunday Times“, dass Odeys Mitarbeiterinnen dafür bekannt waren, „ gute Beine“ zu haben. Denn sie hätten lieber die Treppen genommen, als dem Chef im Aufzug zu begegnen. Er sei dafür bekannt gewesen, einen Goldbarren auf seinem Schreibtisch in Mayfair zu haben und „ Earls & Girls“ einzustellen. Konsequenzen hatten solche Gerüchte keine. Schlimmer noch: Ein Richter schlug 2021 die Belästigungsklage einer Investmentbankerin gegen den Industriellensprössling aus Yorkshire mit der Bemerkung nieder, sie habe eine lebhafte Fantasie, und unterstellte ihr dabei auch noch Geltungssucht.

Die schnelle Reaktion der Branche auf den Skandal lässt hoffen. Die Unternehmen waren bereit, für ihre Haltung auf Geschäft zu verzichten. Das geht über das performative Virtue Signalling, das mittlerweile zum guten Ton gehört, weit hinaus. Eine Regenbogenfahne oder das Logo von Black Lives Matter über die sozialen Medien auszuspielen kostet dagegen nicht viel. Jetzt wäre eigentlich die britische Finanzaufsicht, die Financial Conduct Authority (FCA), an der Reihe. Doch hat sie bislang noch jeden Skandal verschlafen. Wer sich in einer vergleichbaren Machtposition wie Odey befindet, muss eigentlich nachweisen, dass er für den Job geeignet ist – auch wenn er Mehrheitseigentümer der Firma ist.

Nun handelt es sich bislang lediglich um Vorwürfe. Jetzt muss geklärt werden, was bei Odey Asset Management vor sich ging. Das ist die FCA nicht nur den betroffenen Frauen schuldig, sondern der Branche und ihren Kunden insgesamt.

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