IM BLICKFELD

Der Hongkong-Dollar zwischen US-Dollar und Yuan

Von Ernst Herb, Hongkong Börsen-Zeitung, 7.11.2013 Vor genau 30 Jahren leitete in Hongkong die Einführung eines neuen Wechselkurssystems den Beginn des Endes der britischen Kolonialherrschaft ein. Die feste Anbindung des bisher frei schwebenden...

Der Hongkong-Dollar zwischen US-Dollar und Yuan

Von Ernst Herb, HongkongVor genau 30 Jahren leitete in Hongkong die Einführung eines neuen Wechselkurssystems den Beginn des Endes der britischen Kolonialherrschaft ein. Die feste Anbindung des bisher frei schwebenden Hongkong-Dollar an den mächtigen US-Dollar war ein gewagtes Unterfangen, doch entstand als Notlösung inmitten wirtschaftlicher und politischer Wirren eine der weltweit stabilsten Währungen. Roter Stern folgt Union JackEs sollte 1983 zwar noch 14 Jahre dauern, bis das Territorium an China zurückfallen würde. Doch war es offensichtlich, dass 1997 mit dem Auslaufen des 100-jährigen Pachtvertrages der Union Jack unweigerlich dem Roten Stern Platz machen würde. Die Aussicht, dass der prosperierende Außenposten des westlichen Kapitalismus bald schon von der autoritären Kommunistischen Partei Chinas regiert würde, sorgte am Finanzmarkt für hohe Volatilität.Die Vertrauenskrise führte zu einem rapiden Wertzerfall der frei fluktuierenden Währung. Sie fiel innerhalb weniger Wochen gegenüber dem Dollar von 5,50 auf 8,60, was eine importierte Inflation von über 15 % nach sich zog. Das Problem wurde mit einem kühnen Schlag gelöst. Der Wechselkurs der lokalen Währung wurde wie vom renommierten Ökonomen John Greenwood empfohlen am 17. Oktober 1993 mit 8,70 fest an den Greenback gekoppelt. Das vom heutigen Chefvolkswirt der Fondsgesellschaft Invesco ausgedachte System erwies sich als äußerst stabil, hat sich der Wechselkurs in den vergangenen 30 Jahren doch nur leicht verändert.Doch fehlte es nicht an Kritikern, die dem Peg, wie er in der seit 1997 wirtschaftlich autonomen chinesischen Sonderverwaltungsregion liebevoll genannt wird, immer wieder den imminenten Tod vorausgesagt haben. Den ärgsten Stresstest erlebte der HK-Dollar 1997 während der asiatischen Finanzkrise. Von Südkorea, Thailand, Indonesien bis nach Hongkong gerieten die Währungen der Region unter spekulative Angriffe. Viele Länder kapituliertenAußer im Falle Hongkongs mussten diese Länder kapitulieren und ihre Währungen kräftig abwerten. Doch Josef Yam, der damalige Chef der Hong Kong Monetary Authority (HKMA) und heutige Verwaltungsrat der UBS, setzte dem Angriff in seiner Eigenschaft als Quasi-Zentralbankchef mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln ein Ende. Die Munition ging ihm nicht aus, war der Peg doch ein sogenannter Currency Board. Damit waren alle im Umlauf befindlichen HK-Dollars mit US-Dollars unterlegt. Die HKMA intervenierte an der Hongkonger Börse, wo sie in großem Umfang die 33 im Hang-Seng-Index versammelten Hauptwerte aufkaufte. Der Hang Seng legte in kurzer Zeit 15 % zu und Investoren, die in Erwartung einer Abwertung des HK-Dollar in großem Maße Leerpositionen aufgebaut hatten, erlitten Milliardenverluste. Die Rettungsaktion sollte sich für Hongkong als sehr lukrativ erweisen. Als die Intervention 2002 mit dem Abstoßen der Papiere abgeschlossen war, hatte sich ihr kombinierter Wert inklusive Dividenden auf 216 Mrd. HK-Dollar beinahe verdoppelt. Fehlende AutonomieDas heißt nicht, dass der Peg danach unumstritten blieb. Ein Punkt der Kritik ist die fehlende Autonomie in Bezug auf die Geldpolitik. Obwohl Hongkong andere Wachstumszyklen durchläuft als die USA, muss die HKMA die Zinsentscheide der Federal Reserve Bank in Washington getreu nachvollziehen. Alles andere würde augenblicklich eine Lawine von völlig risikolosen Arbitragegeschäften lostreten.Der Nachteil des aktuellen Regimes hat sich in den Jahren nach Ausbruch der globalen Finanzkrise gezeigt, als die Fed die Zinsen zur Ankurbelung der Konjunktur extrem tief hielt. Anders als im Falle der USA erholte sich Hongkongs Wirtschaft jedoch schnell vom Schock. Das weltweit reichlich vorhandene billige Geld führte zu einem Boom auf dem Hongkonger Immobilienmarkt. Sollte die Blase etwa infolge einer Zinswende der Fed einmal platzen, so droht das tiefe volkswirtschaftliche Spuren zu hinterlassen. Integration schreitet voranIn Frage gestellt wird der Peg zunehmend auch deshalb, weil die wirtschaftliche Integration Hongkongs mit Festlandchina trotz des bis 2047 andauernden autonomen Status des Territoriums rasant voranschreitet. Damit spürt Hongkong die Wachstumszyklen Chinas heute anders als noch vor zehn Jahren weit mehr als die der USA. Das fällt umso mehr ins Gewicht, als der Yuan gegenüber dem Greenback und damit auch dem HK-Dollar seit 2007 um beinahe 35 % erstarkte. Damit hat Hongkong gegenüber dem Festland zwar an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen, doch gleichzeitig verteuert das die Importe, was wesentlich für die anhaltend hohe Lebensmittelpreisinflation und damit verbundene soziale Spannungen verantwortlich ist.Sporadisch kommt denn auch die Forderung auf, den Wechselkurs des HK-Dollar an den Yuan anzukoppeln, – vor allem seit Peking vor drei Jahren die schrittweise Liberalisierung der Landeswährung eingeleitet hat und damit auch vermehrt Yuan in Hongkong zirkulieren. Doch ist der Yuan anders als der HK-Dollar weiterhin nicht frei konvertierbar. Damit kann die HKMA anders als bisher im Rahmen eines Currency Board die eigene Währung nicht unbegrenzt mit Yuan unterlegen. Für das internationale Finanzzentrum, dessen Börse eine Marktkapitalisierung von über 9 Bill. HK-Dollar aufweist, ist das ein zentraler Faktor. John Tsang, der Hongkonger Finanzminister, hat eine Änderung am 16. Oktober einmal mehr kategorisch ausgeschlossen.All das heißt nicht, dass der Peg in seiner bisherigen Form weitere 30 Jahre existieren muss. Mit der rasant voranschreitenden wirtschaftlichen Öffnung Chinas spielt der Yuan im täglichen Leben der Bürger als Zahlungsmittel eine zunehmend prominente Rolle. Hongkonger Taxifahrer nehmen ebenso wie viele Läden auch Yuan entgegen. Auch sind bereits jetzt vereinzelte Aktien an der Hongkonger Börse in der chinesischen Landeswährung notiert. Hongkonger Banken erteilen ihrerseits auch Yuan-Kredite. Kopplung an WährungskorbAls Zwischenschritt könnte der Peg modifiziert werden. Der Wechselkurs wäre dann nicht mehr nur an den Dollar gekoppelt, sondern an einen ganzen Währungskorb, so wie beim sing. Dollar. Allerdings gibt es auch ernsthafte Fragen zur Rolle des Greenback als globaler Ankerwährung. Aus Not könnte Hongkong damit einst wie bereits vor 30 Jahren gezwungen werden, sein Wechselkursregime über Nacht an neue volkswirtschaftliche Anforderungen anzupassen.