Im BlickfeldMDax und Dax im Vergleich

Nebenwerte zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Es gibt gute Gründe dafür, dass der MDax sich deutlich schwächer entwickelt als der Dax. Das liegt auch an der Aufstockung des Dax auf 40 Titel in 2021. Ob der MDax gegenüber dem Dax aufholen kann, bleibt angesichts der schwachen deutschen Konjunktur fraglich.

Nebenwerte zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Nebenwerte zwischen Wunsch und Wirklichkeit

An der Gewinndynamik im MDax bestehen Zweifel, die Bewertung ist höher als im Dax

Von Werner Rüppel, Frankfurt

Zu Jahresbeginn haben Analysten und Kapitalmarktexperten darauf gesetzt, dass deutsche Nebenwerte deutliches Aufholpotenzial haben und deshalb 2024 besser laufen dürften als die Blue Chips. Zur Jahresmitte ist allerdings bei allen Investoren, die sich in dieser Hoffnung positioniert haben, Ernüchterung eingekehrt. Während der Dax neue Allzeithochs erreicht und bis Ende August 12,9% zugelegt hat, bleibt der MDax mit einem Minus von 6% zurück. Und das nicht nur hinter dem Dax, sondern auch mit deutlichem Abstand hinter der Entwicklung an den Weltaktienmärkten. Da ist es kein Wunder, dass sich, wie State Street aktuell berichtet, Anleger von ihren MDax-ETFs getrennt haben.

Verblichener Glanz

Wie ist also nun die Lage? Wie stehen die Chancen, dass der einstige Überflieger-Index MDax an alte Zeiten anknüpft und gegenüber seinem großen Bruder Dax wieder aufholt.? Schließlich billigen etliche Experten dem Mid-Cap-Index ja noch immer erhebliches Aufholpotenzial zu. „Die Aufholjagd des MDax zu neuen Höchstständen ist durch die Unternehmenszahlen mehr als gerechtfertigt und nur noch eine Frage der Zeit“, hat zum Beispiel Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie bei der DekaBank, im April festgestellt. Auch viele andere Kapitalmarktexperten sehen durchaus gute Chancen auf eine Renaissance der Nebenwerte hierzulande und damit auch des MDax.

Keine ausgemachte Sache

Allerdings dürfte ein Aufholen des MDax gegenüber dem Dax keine ausgemachte Sache sein. Denn der seit September 2021 von 30 auf 40 Titel erweiterte deutsche Leitindex weist aktuell noch eine deutlich niedrigere Bewertung im für 2024 erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis aus als der MDax. Er besticht außerdem durch eine deutlich höhere Dividendenrendite und auch eine niedrigere Volatilität als das Nebenwertesegment. Dax-Investments sind also weniger riskant als solche im MDax, eine Tatsache, die institutionelle Investoren durchaus schätzen. Dafür kann der MDax nach den Berechnungen des Researchs der LBBW mit einem wesentlich stärkeren erwarteten Gewinnplus im Geschäftsjahr 2025 punkten. Auch besteht zumindest die Hoffnung, dass weitere Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank zu einem niedrigeren Zinsniveau in Euroland führen, von dem die MDax-Werte stärker profitieren dürften, weil sie zumindest im Durchschnitt stärker als die Dax-Werte verschuldet sind.

Dennoch stellt sich zunächst die Frage, was mit dem einstigen Überflieger MDax, der die deutschen Standardwerte über viele Jahre deutlich abgehängt hat und der 2021 bis auf ein Allzeithoch von mehr als 36.000 Punkten gestiegen ist, passiert ist? Warum hat sich der MDax in den vergangenen Jahr derart zum Underperformer entwickelt?

Dafür gibt es mehrere gute Gründe. Laut der Analyse der Deka hat der Krieg in der Ukraine mit seinen Auswirkungen auf die deutsche Rohstoff- und Energieversorgung die deutsche Volkswirtschaft besonders stark getroffen. Und damit eben auch den MDax, dessen Unternehmen doch wesentlich weniger international aufgestellt sind, als die Dax-Firmen, die als weltweit tätige Firmen ihre Erträge stärker international diversifizieren.

Regeländerung belastet

„Zweitens geht die Underperformance des MDax auf den übergeordneten Faktor der massiv gestiegenen Zinsen zurück“, stellen die Deka-Analysten fest. Denn Small und Mid Caps seien aus zwei Gründen besonders empfindlich für Zinsänderungen. Zum einen würden bei den Bewertungen von Aktien die zukünftig zu erwartenden Gewinne auf den heutigen Zeitpunkt diskontiert, was Nebenwerte mit besonders hohen erwarteten Gewinnzuwächsen besonders treffe. Zum anderen benötigten Small und Mid Caps verhältnismäßig mehr Kapital als Large Caps.

Hinzu kommt jetzt ein dritter Punkt, der nicht übersehen werden sollte. „Der Beginn der Schwächephase des MDax fällt zeitlich mit den großen Regeländerungen im Jahr 2021 zusammen“, das stellen nicht nur die Analysten der Deka fest. Denn im September 2021 wurde der Dax von 30 auf 40 Titel erweitert, während der MDax von 60 auf 50 Titel verkleinert wurde. Damals sind unter anderem Top-Werte wie Airbus, Siemens Healthineers, Sartorius Vorzüge oder Brenntag auf einen Schlag von der zweiten in die erste Liga, sprich in den Dax 40, aufgestiegen. Damit war der MDax nicht nur seine jahrelange Star-Aktie Airbus los. Auch der Nimbus des MDax als Aufsteiger-Index, der davon profitiert, dass Aktien, die auf dem Weg in den Dax sind, zunächst im MDax sehr gut performen, war zunächst einmal zu einem Gutteil dahin. Denn die potenziellen Aufsteiger waren bereits in die erste Börsenliga hochgehievt worden. Und bis sich neue überzeugende Aufsteiger auftun, mag Jahre dauern.

Dax ist günstiger bewertet

Auch wenn nach Berechnungen der Deka die Regeländerungen nur einen Teil der Underperformance des MDax gegenüber dem Dax erklären können, aber eben bei weitem nicht alles, so haben die Regeländerungen dem MDax als wertschaffenden Aufsteiger-Index doch geschadet.

Ob der MDax nun in den kommenden Monaten gegenüber dem Dax aufholen kann, ist unter Bewertungsaspekten durchaus fraglich. Denn trotz seines zuletzt schwachen Abschneidens ist der MDax immer noch höher bewertet als der Blue-Chip-Index. Dabei sollten Titel aus der zweiten Reihe eigentlich wesentlich günstiger sein als die Blue Chips. So liegt nach Berechnungen der LBBW das für das Geschäftsjahr 2024 erwartete Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des Dax bei 13,8 im Vergleich zu dem deutlich höheren 2024er KGV des MDax von 16,4. Auch bei der für das laufende Geschäftsjahr 2024 erwarteten Dividendenrendite schneidet der Dax mit 3,0% wesentlich besser ab als der MDax mit 2,4%. Sowohl Dax als auch MDax sind überdies bekanntlich Performance-Indizes, in welche die gezahlten Dividenden mit einfließen, dies gilt es immer auch im Vergleich zu anderen großen internationalen Indizes zu berücksichtigen. Und in Sachen Dividenden sind vom Dax eben deutliche höhere Returns zu erwarten als vom MDax.

Fragezeichen bei Finanzierung

Allerdings weist der MDax ein deutlich höher erwartetes Gewinnplus von 27,9% von 2024 auf 2025 auf, dies nach den Gewinnschätzungen der LBBW. Der Dax kommt demnach nur auf einen entsprechenden geschätzten Ergebnisanstieg von 11,7%. Dies sind aber alles Berechnungen auf Basis von Gewinnschätzungen. Wichtig ist dann die tatsächliche Ertragsentwicklung. Denn werden die MDax-Unternehmen in einem Umfeld, das hierzulande von einem schwachen Wirtschaftswachstum – wenn man überhaupt noch von Wachstum sprechen kann – geprägt ist, auch liefern? Das ist eine der großen Fragen zum Aufholpotenzial des MDax. Im Vergleich zum Dax gilt es dabei auch zu berücksichtigen, dass die Dax-Werte wesentlich internationaler als die MDax-Werte aufgestellt sind und in höherem Maße von der Weltkonjunktur profitieren, die sich eben wesentlich besser entwickelt als die heimische.

Finanzierung heikles Thema

Ein anderer, sehr schwierig zu beurteilender Punkt sind die Finanzierungsbedingungen für Small und Mid Caps. Natürlich sind sinkende Leitzinsen von der Tendenz her vorteilhaft. Doch sind die Zinsen für Bundesanleihen am lange Ende bereits recht niedrig, und auch die Zinsen für Unternehmensanleihen sind zuletzt bereits gesunken. Und zu welchen Konditionen werden kleinere und mittelgroße Unternehmen Finanzierungen erhalten, sollte hierzulande die Konjunktur weiter abschmieren? Auch dies spricht nicht unbedingt für ein Engagement in MDax- und SDax-Werten.

Dax bleibt erste Wahl

Vor diesem Hintergrund dürfte es insgesamt nicht leicht für den MDax werden, gegenüber dem Dax aufzuholen. Für viele Investoren dürfte der internationaler ausgerichtete Dax mit so überzeugenden Unternehmen wie SAP. Siemens, Munich Re die erste Wahl bleiben. Eine positive Botschaft gibt es aber auch für MDax-Investoren. Im internationalen Vergleich ist der deutsche Mid-Cap-Index nicht teuer. Und vielleicht gibt es auch einmal einen Katalysator, der dem MDax auf die Sprünge hilft. Dies könnten zum Beispiel niedriger Unternehmenssteuern hierzulande oder auch ein deutliches Anspringen der deutschen Wirtschaft sein.

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