Notiert inTokio

Der Trick mit dem "frischen" Kabinett

Der japanische Regierungschef wollte mit dem Umbau seiner Ministerriege seine Umfragewerte verbessern. Dafür erhöhte er die Zahl der Ministerinnen von zwei auf fünf. Doch viele Wähler nahmen ihm die Wandlung zum Frauenförderer nicht ab.

Der Trick mit dem "frischen" Kabinett

Notiert in Tokio

Tricksen mit "frischem" Kabinett

Von Martin Fritz

Rituale bestimmen Japans Innenpolitik: So fragen Zeitungen und Fernsehsender nahezu im Wochentakt ab, ob die Wähler die Regierung und ihre Politik "befürworten" oder "ablehnen". Diese Umfragen basieren aus Kostengründen auf nur 1.000 Anrufen bei zufällig ausgewählten Festnetz- und Mobilnummern, was die statistische Aussagekraft der Daten stark mindert. Aber sie bleiben der wichtigste Gradmesser für die Popularität eines Regierungschefs.

Ist die Zustimmungsrate über längere Zeit hoch, spekuliert die Presse bald über die Möglichkeit von vorgezogenen Neuwahlen. Sinkt die Rate jedoch über längere Zeit oder erholt sich nur vorübergehend von ihren Tiefs, dann rückt die Umbildung des Kabinetts auf die Tagesordnung: Denn die Vergangenheit lehrte Presse und Politik, dass die Rate der Befürworter eines Premiers nach einer Erneuerung der Ministerriege wieder zunimmt.

Nach diesem Muster agierte vor wenigen Tagen auch der unpopuläre Fumio Kishida. Um sich einen frischen Anstrich zuzulegen, setzte der Regierungschef auf mehr Ministerinnen. In Japan gibt es nämlich kaum weibliche Politiker, weshalb das Land in der Rangliste für Geschlechtergleichheit des World Economic Forum erst auf dem 125. Platz von 146 Nationen auftaucht. Daher hielt Kishida es für eine gute Idee, hier den Hebel anzusetzen, und erhöhte die Zahl der Ministerinnen von zwei auf fünf unter insgesamt 20 Posten. Fünf Frauen mit Kabinettswürden gab es bisher nur in den Regierungen von 2001 und 2014.

Als stärkstes Symbol für seine Unterstützung der Frauen vergab Kishida das wichtige Außenamt an die Ex-Justizministerin Yoko Kamikawa. Der Premier wählte außerdem Ayuko Kato zur Ministerin für Kindererziehung und Maßnahmen gegen den Geburtenrückgang. Als 44-Jährige mit nur neun Jahren im Parlament ist sie eigentlich zu jung und unerfahren für diese Aufgabe. Aber ihr Vater Koichi Kato war 40 Jahre Abgeordneter und auch Generalsekretär der Regierungspartei LDP. Seine Tochter – ebenso wie noch viel mehr Männer – gehört damit zu Japans Politikerdynastien, die Wahlkreis, Mandat und hohe Ämter an die nächste Generation "vererben".

Doch Kishidas vermeintlich smarter Schachzug mit den Frauen entpuppte sich als Flop. In einer Umfrage der größten Tageszeitung "Yomiuri" nach der Vorstellung der neuen Ministerriege verharrte die Zustimmungsrate für den 66-Jährigen mit 35% auf dem Stand von August. Fast drei von vier Befragten begrüßten zwar die Erhöhung der Frauenquote. Aber Kishida selbst konnte davon nicht profitieren. Ein mutmaßlicher Grund: Viele Top-Personalien änderte der Premier nicht, zum Beispiel den Finanz- und den Industrieminister. Sein direkter Rivale Taro Kono blieb trotz eines Datenskandals Minister für digitale Transformation. Diese Aufgabe ist nämlich so unpopulär, dass Kono dabei keine Chance bekommt, mit Kishida zu konkurrieren.

Vor allem aber durchschaute das bürgerliche Publikum das Manöver mit den Frauen. Denn direkt nach der Kabinettsumbildung besetzte Kishida sämtliche 26 Vizeminister- und 28 Parlamentssekretär-Posten mit Männern. Vizeminister übernehmen die Aufgaben ihrer Minister in deren Abwesenheit, parlamentarische Sekretäre unterstützen die Minister in bestimmten Politikbereichen. Die Posten werden oft an relativ junge Abgeordnete vergeben, damit sie Erfahrung sammeln können, und wären somit ideal geeignet, um die Karriere von Frauen zu unterstützen. Aber als erster Premier seit Einführung dieser Ämter 2001 ernannte Kishida keine einzige Politikerin.

Sein Kabinettschef Hirokazu Matsuno beteuerte, die Förderung von Frauen sei eine "wichtige Agenda für Kishida". Dann flüchtete er in eine typisch männliche Ausrede: "Frauen können doch auch aktiv an der Formulierung von Politik teilnehmen, ohne Mitglied der Regierung zu sein." Kishida war nicht zum Feministen mutiert – mehr Frauen sollten nur sein Ansehen aufpolieren.

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