KommentarNestlé bekommt neuen CEO

Der unwürdige Abgang Schneiders

Der Rauswurf von CEO Mark Schneider bei Nestlé – so nachvollziehbar er auch sein mag – ist ein Desaster für das Image des Lebensmittelriesen. Zudem trägt der 58-Jährige nicht allein die Verantwortung für die ausbleibenden strategischen Erfolge, den Aktienkursverfall und das zuletzt schwache organische Wachstum.

Der unwürdige Abgang Schneiders

NESTLÉ

Der unwürdige Abgang Schneiders

Von Martin Dunzendorfer

Die ausbleibenden strategischen Erfolge und die schwache Aktienperformance von Nestlé in den vergangenen zwei Jahren waren vielen Investoren schon ein Dorn im Auge; dass zuletzt auch noch das organische Wachstum mehrfach enttäuschte, veranlasste Verwaltungsratspräsident Paul Bulcke, die Notbremse zu ziehen. Er setzte CEO Mark Schneider den Stuhl vor die Tür. Offenbar fehlte Bulcke, von 2008 bis 2016 selbst CEO von Nestlé, das Vertrauen, dass Schneider in absehbarer Zukunft wieder Schwung in den größten Lebensmittelkonzern der Welt bringen könnte, was sich dann auch in einer Erholung des Aktienkurses niedergeschlagen hätte.

Laurent Freixe (62), derzeit CEO der Zone Lateinamerika bei Nestlé, übernimmt am 1. September die Position des CEO im Gesamtkonzern; Foto: Nestlé

Als Nachfolger des Deutsch-Amerikaners wurde Laurent Freixe auserkoren; der Franzose und Bulcke kennen sich seit Jahrzehnten. Bulcke kam 1979 zu Nestlé, Freixe sieben Jahre später. Im Executive Board sitzt der Belgier, der auch Schweizer Staatsbürger ist, seit 2004, Freixe seit 2008. Die beiden sind „Buddies“. Dagegen kam Schneider Anfang 2017 von außerhalb des Konzerns – für Nestlé höchst ungewöhnlich. Doch als Vorstandschef von Fresenius (2003 bis 2016) hatte er einst so großen Erfolg, dass er über Deutschlands Grenzen hinaus ein begehrter Manager war. Schneider wurde engagiert, um die Umsetzung der von Vorgänger Bulcke angestoßenen Strategie zu forcieren: Wachstums- und renditeschwache Geschäfte sollten auf Vordermann gebracht oder abgestoßen, wachstumsstarke Assets zugekauft werden. Seine fehlende Vernetzung im Konzern dürfte eine Voraussetzung für die Berufung gewesen sein – so wollte man ausschließen, dass er beim Kehraus zögerlich vorging. In den ersten Jahren wagte Schneider mutige Schritte in der Portfolioentwicklung. Doch mit Beginn des Ukraine-Krieges und steigender Inflation wurden die Erfolge immer spärlicher. Seit Herbst 2023 können die Preisschrauben nicht weiter angezogen werden, ohne Marktanteile zu verlieren. Das belastet das Wachstum stark.

Paul Bulcke (69), Verwaltungsratspräsident (Chairman) von Nestlé. Foto: Nestlé

Nestlé pflegt das Image eines modernen, aber traditionsbewussten Unternehmens mit Stil. Der abrupte Rauswurf des CEO passt da gar nicht ins Bild. Wenn schon ein Wechsel an der Spitze unumgänglich war, warum nicht zum Jahreswechsel oder später? Dann wäre Zeit gewesen, nach einer langfristigen Lösung für den Posten zu suchen, denn Freixe ist mit seinen 62 Jahren nur eine Übergangslösung. Im Übrigen muss Schneider auch für Versäumnisse seiner Vorgänger büßen, doch den 69-jährigen Bulcke – längst die „graue Eminenz“ im Konzern – zieht keiner zur Rechenschaft.

Der Rauswurf von CEO Mark Schneider bei Nestlé – so nachvollziehbar er sein mag – ist ein Desaster für das Image des Lebensmittelriesen.

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