BlickfeldImmobilienmarkt

Der US-Immobilienmarkt ist ein zweischneidiges Schwert

Am US-Immobilienmarkt bietet sich derzeit ein gemischtes Bild. Bei Eigenheimen zeichnet sich nach dem Auf und Ab im Gefolge der Corona-Pandemie eine stete Erholung ab. Der Markt für gewerbliche Immobilien bewegt sich aber auf brüchigem Boden und könnte vor einer tiefen Krise stehen.

Der US-Immobilienmarkt ist ein zweischneidiges Schwert

US-Immobilienmarkt, ein zweischneidiges Schwert

Am US-Häusermarkt zeichnet sich eine langsame Erholung ab – Bei gewerblichen Immobilien lauert hingegen die Gefahr eines tiefen Einbruchs

Von Peter De Thier, Washington

In einem schwierigen Umfeld, das von den höchsten Zinssätzen in mehr als 20 Jahren und andauernder Unsicherheit über die längerfristigen Konjunkturaussichten geprägt ist, hat der US-Immobilienmarkt bemerkenswerte Resistenz gezeigt, sich aber zugleich als zweischneidiges Schwert erwiesen. Während sich nämlich bei Eigenheimen ein langsamer, aber steter Aufschwung abzeichnet, vergleichen Experten den Markt für gewerbliche Immobilien mit einer tickenden Zeitbombe, deren potenzielle Folgen für die Finanzmärkte und die Gesamtwirtschaft von vielen unterschätzt würden. 

Am Markt für Wohnimmobilien zeigen die wichtigsten Indikatoren nach oben. Zwar sind die Verkaufszahlen in jüngster Zeit gesunken, und angesichts der hohen Zinsen rechnen Experten mit einer nur langsamen und schleppenden Erholung. Gleichwohl legen die Preise wieder leicht zu und senden somit ein durchwachsenes Signal. Einerseits widerlegt die Verteuerung jene Schwarzmaler, die während der Corona-Pandemie von einer ähnlichen Preisblase wie der vor 16 Jahren sprachen, als die Subprime-Krise den Weg pflasterte für die globale Finanzkrise. Gleichzeitig illustrieren die nunmehr moderat steigenden Preise eine der empfindlichsten Schwachstellen des US-Immobilienmarkts, nämlich den hartnäckig geringen Bestand an Eigenheimen, die zum Verkauf angeboten werden.  

Während der letzten drei Jahre unterlag der Häusermarkt immensen Schwankungen, die sich nun aber zu stabilisieren beginnen. Als Kontaktbeschränkungen inmitten der Coronakrise die Popularität des Homeoffice steigen ließen, schossen die Preise hoch und führten zu noch nie dagewesenen Steigerungsraten. Die wichtigsten Gradmesser, der S&P-Corelogic-Case-Shiller-Preisindex und der einschlägige Index der Federal Housing Finance Agency (FHFA), wiesen über lange Zeit Jahresraten von fast 20% aus. Über den Vermögenseffekt leistete der Immobilienmarkt auch einen wichtigen Beitrag zur Ankurbelung des Privatkonsums, der in den USA 69% der Wirtschaftsleistung ausmacht, und erwies sich somit in ungewissen Zeiten als bedeutende Konjunkturstütze.

Leerstehende Bürohäuser

Zugleich hat die Beliebtheit des Homeoffice neue wunde Punkte offenbart. Parallel zu dem Boom bei Eigenheimen hat nämlich der Markt für gewerbliche Immobilien Federn gelassen und könnte einigen Analysten zufolge während der nächsten ein bis zwei Jahre eine gefährliche Krise heraufbeschwören. Da immer mehr Berufstätige ihrem Job vom Heimbüro aus nachgehen, haben sich ganze Stadtbezirke, die vor der Pandemie pulsierende Metropolen waren, mittlerweile in desolate Betonwüsten verwandelt. 

So stehen nach Angaben des Immobiliendienstleisters Savills in San Francisco 32,7% aller Bürogebäude leer. Großstädte wie Atlanta und Houston haben ebenfalls Leerstandsquoten von über 30%, dicht gefolgt von Los Angeles, Seattle und Philadelphia. Nach Angaben der Mortgage Bankers Association, des Dachverbands der US-Immobilienmakler, werden in den kommenden zwei Jahren Hypothekenschulden im Wert von 1,4 Bill. Dollar fällig. Ein bedeutender Teil davon entfällt wiederum auf vakante gewerbliche Immobilien, bei denen Raten nicht mehr bezahlt werden. Folglich befinden sich Kreditgeber in der Klemme, und sollte sich der Trend fortsetzen oder gar beschleunigen, dann ist nicht auszuschließen, dass Abschreibungen in dreistelliger Milliardenhöhe in die nächste Krise münden werden. 

Anders stellt sich die Lage bei Wohnimmobilien dar. Nach dem steilen Preisanstieg im Gefolge der Pandemie wurde bei Häuserpreisen im Juli 2022 sogar der erste Rückgang seit zehn Jahren gemessen. Im Mai dieses Jahres legten die Preise aber wieder leicht zu und deuten darauf hin, dass sich nach dem turbulenten Auf und Ab der letzten drei Jahre die Wogen nun langsam glätten.

Selbst wenn die befürchtete Rezession ausbleibt und die Wirtschaft weiter zulegen sollte – im zweiten Quartal war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) annualisiert um 2,4% gestiegen – ist eine Preisblase wie kurz nach der Jahrtausendwende Experten zufolge nicht zu erwarten. Dafür haben vor allem striktere Standards bei der Vergabe von Häuserdarlehen gesorgt, die ein zentraler Bestandteil der neuen Finanzmarktarchitektur des Dodd-Frank-Gesetzes waren. Folglich sind massenhafte Zahlungsausfälle wie vor 15 Jahren praktisch ausgeschlossen. 

Eine Mitverantwortung dafür, dass sich Preissteigerungen in Grenzen halten werden, trägt aber auch die Notenbank. Zwar führten die elf Leitzinserhöhungen, die seit März letzten Jahres beschlossen wurden, nicht unmittelbar zu höheren Finanzierungskosten, beeinflussen diese aber indirekt. Banken orientieren ihre Hypothekenzinsen nämlich an der Rendite für zehnjährige Staatsanleihen, die ihrerseits direkt von Leitzinsbeschlüssen abhängt. 

Auswirkungen der Zinsbeschlüsse

„Es gibt keine unmittelbare Korrelation zwischen geldpolitischen Beschlüssen der Fed und der Höhe der Hypothekenzinsen“, sagt Greg McBride, Chief Financial Analyst beim Online-Finanzdienstleister Bankrate. „Die Hypothekensätze reagieren vielmehr auf die Konjunkturaussichten, und niedrigere Kreditzinsen setzen langsameres Wachstum sowie niedrigere Inflation voraus.“ Für beides habe die Notenbank mit den elf Leitzinserhöhungen der letzten eineinhalb Jahre wichtige Vorarbeit geleistet. 

Bis Hauskäufer wieder in den Genuss niedrigerer Zinsen kommen, ist es aber noch ein weiter Weg. Auch das spricht für einen langsamen, steten Aufschwung anstelle einer Preisblase. So stieg allein während des abgelaufenen Jahres der durchschnittliche Satz für Hausdarlehen mit 30-jähriger Laufzeit von 3,4% auf 7,5% und hat sich mittlerweile für Kreditnehmer mit erstklassiger Bonität bei etwa 7,3% eingependelt. Das wiederum hat für Durchschnittsverbraucher Folgen. Wer heute beispielsweise eine Hypothek in Höhe von von 400.000 Dollar aufnimmt, zahlt dafür über 30 Jahre monatlich 1.000 Dollar mehr als ein Käufer, der im März 2022 seine Immobilien finanzierte. 

Das hat gerade in einer Ära hoher Inflation dem Häusermarkt einen weiteren Dämpfer verpasst. „Für Erstkäufer werden Eigenheime durch die hohen Zinsen unerschwinglich“, stellt Clare Losey, Vorstandsmitglied im Austin Board of Realtors in Texas, fest. Hinzu kommt, dass Hausbesitzer, die ihre Immobilie 2022 und davor billig finanzierten, nun umso motivierter sind, daran festzuhalten, anstatt diese zu verkaufen und für den nächsten Kauf einen teuren Kredit aufzunehmen. Die daraus resultierende Kombination aus knappem Angebot und hohen Zinsen dürfte Experten zufolge auch in den kommenden Monaten die Preise weiter hochtreiben, allerdings keineswegs in jene schwindelerregenden Höhen, die 2007/2008 den Markt in eine tiefe Krise stürzten.

Positive Folgen für die Wirtschaft

Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht hat der solide, aber keineswegs exorbitante Aufschwung, der sich abzeichnet, auch positive Folgen. So kurbeln bei Hauseigentümern, die einen Wertzuwachs beobachten,  die höheren Preise den Konsum kräftig an. Wie eine Studie der Elite-Uni Harvard ergab, fließen nämlich 5,5% der empfundenen Wertsteigerung direkt in Verbraucherausgaben und entfalten einen deutlich stärkeren Vermögenseffekt als Kursgewinne bei Aktien sowie anderen Wertpapieren. Unterm Strich bleiben Ökonomen jedenfalls vorsichtig optimistisch. Während der Markt für gewerbliche Immobilien bedenklich ins Wanken geraten könnte, ist zu hoffen, dass eine Krise dort nicht auf andere Sektoren überschwappt. Denn der Eigenheimmarkt ist stabil, und sobald sich die Zinsen wieder auf einem niedrigeren Niveau einpendeln, werde der Hauskauf auch für ein breiteres Spektrum an Kunden wieder zugänglich sein.

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