LEITARTIKEL

Der Weckruf

Große Überraschung am M & A-Markt: Der Kaffeemaschinenhersteller WMF wird nicht nach China verkauft. Es hat inzwischen schon Neuigkeitswert, wenn sich in Verkaufsprozessen Bieter aus der Volksrepublik eben nicht durchsetzen. Schließlich lebt der...

Der Weckruf

Große Überraschung am M & A-Markt: Der Kaffeemaschinenhersteller WMF wird nicht nach China verkauft. Es hat inzwischen schon Neuigkeitswert, wenn sich in Verkaufsprozessen Bieter aus der Volksrepublik eben nicht durchsetzen. Schließlich lebt der Markt in Europa stark von den Investoren mit den vollen Taschen, die in Auktionen auf keiner Liste mit Interessenten fehlen dürfen. Ob ein Private-Equity-Fonds einen deutschen Müllanlagenbetreiber für 1,8 Mrd. Euro loswerden will, Bilfinger das Wassergeschäft veräußert, Finanzinvestoren den Spezialmaschinenbauer KraussMaffei abstoßen und Schrott-Recycler Scholz einen Investor oder der defizitäre Hightech-Anlagenbauer Aixtron sein Heil unter einem neuen Dach sucht: Die Reise geht nach China.Und wenn Industrie 4.0 und der riesige Markt im Reich der Mitte – unabhängig von konjunkturellen Dellen – die beiden Zukunftstrends sind, dann erscheint es doch nur logisch, dass der chinesische Haushaltsgerätehersteller Midea ein Gebot für den Roboterhersteller Kuka mit der Bewertung von 4,5 Mrd. Euro abgibt. Oder hat da jemand was falsch verstanden? Es kann einem mulmig werden, wenn man die Reihe von Unternehmen sieht, bei denen Gesellschafter aus dem kommunistisch regierten Land das Sagen haben. Denn Chinesen kaufen längt nicht mehr nur angeschlagene Maschinenbauer, sondern gehen, ausgerichtet an planwirtschaftlichen Vorgaben, strategisch vor. Starke Marken, Transfer von Know-how und Markterschließung, darum geht es. Die Mittel sind da.Deutschland ist dabei über alle Maßen offen, hier, so scheint es, ist alles käuflich. Anders im Land der eigentlich unbegrenzten Möglichkeiten, wo das Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS) ein immer wichtigerer Spieler am Markt ist. Der Ausschuss der US-Regierung hat schon reihenweise Transaktionen untersagt, ohne im Einzelfall Gründe zu nennen – einfach indem die rote Fahne aufgezogen wird. Prominentestes Beispiel ist Syngenta, die Chemchina schlucken will: Die mit 48 Mrd. Dollar in diesem Jahr zweitgrößte Übernahme global zieht sich hin, weil CFIUS mit dem US-Landwirtschaftsministerium über Auflagen brütet. Als Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit reicht eine Tochter beziehungsweise ein Betrieb in den USA – unabhängig vom Sitz der Parteien. Und kaum ein Investor wagt es, dieses Hindernis offen zu beklagen.Deutsche Konzerne sitzen zwar auf dicken Finanzpolstern, sind gut durch die Krise gekommen und operativ erfolgreich, so dass risikoscheue Vorstände und Aufsichtsräte davon ausgehen, dass Zukäufe unnötig sind. Und sie spüren bisher wenig Druck von aktivistischen Investoren, die Cash-Bestände zu nutzen. In einer solchen Saturiertheit und einer Situation, in der Chinesen auf Teufel komm raus zuschlagen, kommt der Weckruf aus Leverkusen: Bayer kann zeigen, dass auch ein deutscher Konzern mit einem Deal, der Rekorde schlagen würde, eine transformierende Transaktion hinbekommt.Auch wenn es womöglich eine Flucht nach vorn mit “Pacman”-Strategie ist – der Jäger wird zum Gejagten: Deutsche Konzerne können auf der M & A-Weltbühne mitspielen. Aber nicht um jeden Preis. Bayer muss, wenn sie “hostile” geht, diszipliniert bleiben. Schon mit 62 Mrd. Dollar wird die Finanzierung riskant. In der Kommunikation mit Investoren, die von dem Zug in die Agrochemie teilweise auf dem falschen Fuß erwischt wurden, haben der Dax-Konzern und seine Berater einiges falsch gemacht.Bayer ist jedenfalls ganz vorne dabei, wenn in einer Branche “Last Order” gerufen wird. Ähnlich wie bei Industriegasen vor zehn Jahren, wo Linde mit der 12 Mrd. Euro schweren BOC-Übernahme nahezu alles richtig gemacht hat, geht es jetzt in Pflanzenschutz und Saatgut ins Endspiel – global. Bayers kühner Schritt ist zwar ein Signal. Doch ist schwer abzusehen, dass es wesentlich mehr davon geben wird. Auch der Plan der Deutschen Börse, die LSE zu übernehmen, folgt einer zwingenden strategischen Logik. Doch auch hier lässt die Politik die Zügel schleifen, und die Aufsicht schweigt, wenn es um die eminent wichtige Frage geht, wo der künftige Marktplatzbetreiber seinen Sitz hat. Es soll nicht stärkerer Regulierung für Fusionen und Übernahmen das Wort geredet werden. Aber gleiche Wettbewerbsbedingungen sind eine Grundvoraussetzung für funktionierende M & A-Märkte. Das gilt sowohl für die USA mit dem M & A-Weltpolizisten CFIUS als auch für China, wo ausländische Käufer auf vielerlei Hindernisse und Barrieren stoßen.——–Von Walther Becker Gleiche Wettbewerbsbedingungen sind eine Grundvoraussetzung für funktionierende M & A-Märkte. Deutschland ist weiter offener als China oder die USA.——-