Deutsche Bank fremdelt mit dem Massengeschäft
Deutsche Bank
Bedingt massentauglich
Von Anna Sleegers
In einem bemerkenswerten Interview hat Claudio de Sanctis der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" erklärt, warum die geplanten Filialschließungen bei der Postbank aus seiner Sicht unproblematisch sind. Erst ein paar Wochen sind vergangen, seit die Bankenaufsichtsbehörde BaFin dem Institut einen Sonderbeauftragten ins Haus geschickt hat, um sicherzustellen, dass das Institut die Rückstände in den Griff bekommt, die sich nach der IT-Integration der Postbank auf die Systeme der Deutschen Bank im Backoffice aufgetürmt haben. Trotzdem setzt de Sanctis darauf, dass die drei Millionen Postbank-Kunden, die nach seiner Darstellung derzeit regelmäßig eine Filiale aufsuchen, darauf gerne verzichten werden, wenn erst die tolle App da ist.
Angesichts der immensen Zahl von Kundenbeschwerden wirkt es unfreiwillig komisch, wenn de Sanctis das Ziel formuliert, dass die Kunden die Deutsche Bank wieder lieben sollen. Eine derartig innige Beziehung zur eigenen Hausbank mag bei besonders charismatischen Beratern, die hochvermögende Privatkunden und deren Familien betreuen, möglich sein. Im Brot-und-Butter-Geschäft der Postbank könnte man auch ohne das Chaos der vergangenen Wochen lange darauf warten.
Natürlich hat auch die Postbank wohlhabende Kunden. Wenn diese sich aber dafür entschieden haben, ihr Vermögen dort zu verwalten, haben sie mit den Millionen Kunden, die dort ihr Girokonto führen, gemeinsam, dass sie eine Basisdienstleistung haben wollen, die wenig kostet und funktioniert. Gleiches gilt für diejenigen, die ihr Eigenheim mithilfe der Postbank finanzieren wollen. Und auch für diejenigen, die bei der Postbank ein Basiskonto unterhalten, damit sie trotz existenzieller Probleme grundlegende Finanzdienstleistungen in Anspruch nehmen können. Ob diese Klientel tatsächlich genauso glücklich ist, wenn sie stattdessen alle Bankgeschäfte bequem am Smartphone erledigen kann, wie de Sanctis behauptet?
Wahrscheinlich eher nicht. Es ist offensichtlich, dass die Deutsche Bank auch unter dem neuen Privatkundenchef nicht bereit ist, ihre Privatkundenstrategie an den Erfordernissen des Massengeschäfts auszurichten. Auch wenn der Italiener de Sanctis mit dem Verweis auf seine studentische Nebentätigkeit als Briefzusteller um Sympathien bei den Postbank-Kunden wirbt, drängt sich der Eindruck auf, dass die zwölf Millionen Postbank-Kunden vor allem als Skalenfaktor angesehen werden, um IT-Investitionen zu rechtfertigen. Diese Rechnung kann nur aber nur dann aufgehen, wenn sie nicht Reißaus nehmen.