Berlin

Deutsche Welle gerät in russischen Medienkrieg

Der Kreml entzieht der Deutschen Welle die Sendelizenz in Russland und macht das seit den frühen neunziger Jahren bestehende Korrespondentenbüro in Moskau dicht. Es ist ein Überfall und kein Vergeltungsschlag für das Verbot von RT DE in Deutschland.

Deutsche Welle gerät in russischen Medienkrieg

Margarita Simonjan, die Chefredakteurin des russischen Auslandssenders RT, warf Deutschland bereits Ende September vor, einen „Medienkrieg“ gegen Russland zu führen. Kurz zuvor hatte die Videoplattform Youtube zwei Kanäle des deutschsprachigen Ablegers von RT von der Plattform entfernt, weil der Sender Missinformation im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie verbreitete und damit gegen Richtlinien der Alphabet-Tochter verstoßen hatte. Doch Simonjan, die den 2005 vom russischen Staat gegründeten und vom Kreml finanzierten Sender als Waffe „im Informationskrieg gegen die westliche Welt“ versteht, wie sie schon 2012 erklärte, machte die Bundesregierung für die Intervention von Youtube verantwortlich. Der damalige Regierungssprecher Steffen Seibert stellte klar, dass es sich um eine unabhängige Entscheidung der Videoplattform handelte. Das russische Außenministerium erklärte, Sanktionen gegen deutsche Medien in Russland zu erwägen.

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Die Maßnahmen gegen RT in Deutschland seien „keine Zensur mehr, sondern Verfolgung“, sagte Maria Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenministeriums, im Dezember und bezeichnete das Vorgehen deutscher Behörden gegen RT DE als „Infobarbarossa“ – eine Anspielung auf den Angriffsplan des nationalsozialistischen Regimes auf die Sowjetunion im Jahr 1941. Kurz zuvor hatte RT DE begonnen, ihr Informationsangebot in Deutschland als Rundfunk im Sinne des Medienstaatsvertrags auszustrahlen, ohne die dafür erforderliche Rundfunklizenz zu besitzen oder diese beantragt zu haben. Die als Aufsicht zuständige Medienanstalt Berlin-Brandenburg leitete ein medienrechtliches Verfahren ein und bat die RT DE Productions GmbH um Stellungnahme. Am 1. Februar hat die zuständige Kommission für Zulassung und Aufsicht der Medienanstalten die Verbreitung des Fernsehprogramms RT DE untersagt.

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Moskau nutzte das für einen Überfall im Medienkrieg, entzog der Deutschen Welle (DW) am Donnerstag die gültige Sendelizenz und versuchte das als Vergeltungsmaßnahme zu rechtfertigen. Ein Korrespondent von RT DE in Berlin wollte am Freitag zu diesem Zweck vom stellvertretenden Regierungssprecher Wolfgang Büchner wissen, wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Aussagen des DW-Intendanten Peter Limbourg bewertet, der 2014 in einem Interview mit „Die Zeit“ gefordert hatte, dass man der Propaganda des russischen Präsidenten Wladimir Putin etwas entgegensetzen müsse. „Der Bundeskanzler bewertet die Äußerungen eines Intendanten gar nicht, und daran sehen Sie die Besonderheit, mit der wir es hier zu tun haben, nämlich mit der Unabhängigkeit von Medienschaffenden in Deutschland“, entgegnete Büchner. Die Korrespondenten der DW in Moskau hatten da bereits ihre Akkreditierung verloren und machten das seit den frühen neunziger Jahren bestehende Korrespondentenbüro dicht.

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