KommentarEnergieintensive Industrie

Deutschlands Standortnachteil

Die geplante Abschaffung des Stromsteuerspitzenausgleichs für die energieintensive Industrie in Deutschland könnte sich als Fehler erweisen.

Deutschlands Standortnachteil

Energieintensive Industrie

Deutschlands Standortnachteil

Von Andreas Heitker

Die geplante Abschaffung des Stromsteuerspitzenausgleichs könnte sich als Fehler erweisen.

Seit das Bundeskabinett den Haushaltsentwurf für 2024 gebilligt hat und seit damit klar ist, dass die energieintensive Industrie keinen Spitzenausgleich für ihre gezahlten Stromsteuern mehr erhält, ist die Aufregung groß. Unternehmen klagen über erhöhten Abwanderungsdruck und warnen vor dem Verlust von mehr als 2 Millionen Arbeitsplätzen. Und die politische Opposition in Berlin sieht gar die Industrie in Deutschland und den industriellen Mittelstand „in ihren Grundfesten gefährdet“. Es geht um 1,5 Mrd. Euro an Mehrbelastungen für fast 9.000 Chemie-, Stahl- oder auch Papierhersteller. Und es geht einmal mehr um die Frage, was der Politik der Erhalt der Grundstoffindustrie, die unter den hohen Energiepreisen hierzulande leidet, und die mit ihr verbundenen Liefer- und Wertschöpfungsketten wert sein sollte.

Innerhalb der Bundesregierung fallen die Antworten sehr unterschiedlich aus: Wirtschaftsminister Robert Habeck will bis zu 30 Mrd. Euro für einen subventionierten Industriestrompreis ausgeben – was vor allem eine teure und bürokratische Wette ist, dass die Strompreisbelastungen der Unternehmen mit dem Ausbau von erneuerbaren Energien auf ein erträgliches Maß sinken werden. Finanzminister Christian Lindner, der den Stromsteuerspitzenausgleich mittlerweile als schädliche Subvention einstuft, hält es dagegen eher mit dem neuen Präsidenten des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, der in einem Interview jetzt sagte, man solle kein staatliches Geld in die energieintensive Industrie stecken. „Sie wird auf Dauer ohnehin verschwinden.“

Beide Sichtweisen sind schwierig: Während ein Industriestrompreis den Transformationsdruck von den Unternehmen nimmt, sendet das Einstellen staatlicher Unterstützungsleistungen verheerende Signale mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland. Dabei ist klar, dass die hohen Strompreise ein Standortnachteil sind und auch bleiben. Ein schnellerer Ausbau der Erneuerbaren wird diesen kaum beseitigen. Denn überall anders werden ebenfalls massenhaft neue Wind- und Solarparks ans Netz genommen, im Zweifelsfall zu besseren Konditionen. Was die Bundesregierung aber tun könnte, um die Wirtschaft insgesamt in dieser Situation zu entlasten: die hohen Steuern und Abgaben auf Energie senken. Die energieintensive Industrie könnte dann noch weitere, sehr zielgerichtete Hilfen erhalten, um dem hohen internationalen Konkurrenzdruck standhalten zu können. Der Spitzenausgleich, den es nicht ohne Grund schon seit 1999 gab, war bisher so ein Instrument. Dass dieser jetzt nicht verlängert wird, könnte sich als Fehler herausstellen.

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