Notiert inBrüssel

Die altehrwürdige Brüsseler Börse erstrahlt in neuem Glanz

Vor der Sanierung taugte der 150 Jahre alte Prachtbau im Herzen Brüssels nicht mal mehr als Kulisse fürs Fernsehen. Nun hat ihn die Stadt zu neuem Leben erweckt.

Die altehrwürdige Brüsseler Börse erstrahlt in neuem Glanz

Notiert in Brüssel

Die Börse erstrahlt für alle

Von Stefan Reccius

Säulen aus dunklem Marmor. Stuck an den weißen Wänden. Mosaiksteinchen im Boden. Rechts und links des überwölbten Hauptgangs ein begrüntes Zwischengeschoss. Und in der Mitte erhebt sich eine 50 Meter hohe Kuppel: Die vielen Besucher, die am Tag der Wiedereröffnung über einen roten Teppich die Stufen hinauf in die altehrwürdige Brüsseler Börse schwärmen, staunen nicht schlecht.

150 Jahre nach der Einweihung mit einem königlichen Ball am 27. Dezember 1873 erstrahlt das historische Gebäude in neuem Glanz. Es ist zu einem öffentlichen Ort geworden, frei zugänglich für alle. So viel Prunk bringt sogar einen Sozialisten wie Bürgermeister Philippe Close ins Schwärmen: "Die vollständige Neugestaltung des Gebäudes, die seine wunderschöne eklektische Architektur hervorhebt, macht es zu einem unverzichtbaren Ort der Entspannung, Kultur und Entdeckung."

Seit 2020 war der gealterte und seiner ursprünglichen Funktion entledigte Prachtbau durch ein Baugerüst abgeschottet. Es versperrte allen Passanten die Sicht auf die mit dekorativen Elementen reich verzierte Steinfassade im neoklassischen Stil. Während der drei Jahre dauernden und annähernd 100 Mill. Euro teuren Sanierung wirkte das Bauwerk im Herzen der Hauptstadt seltsam entrückt.

Seinen ursprünglichen Zweck hatte es zu diesem Zeitpunkt längst verloren. 2012 endete der Pachtvertrag zwischen der Börse und der Stadt. Eine Zäsur: Anders als der Handelssaal der Frankfurter Börse dient die Brüsseler Börse nicht mal mehr als Kulisse fürs Fernsehen. Die letzten verbliebenen Börsianer zogen in angemietete Büros in der Nachbarschaft der Kathedrale, wie Stadtführer Manuel Schmitz zu berichten weiß.

Der deutsche Auswanderer hat ein Buch über "Macht und Architektur in Brüssel" geschrieben. Da darf das "Haus des Geldes" nicht fehlen. Für Schmitz kommt in der Brüsseler Börse das damalige Verlangen der bürgerlichen Elite nach einem zentral gelegenen Statussymbol auf dem neu errichteten Boulevard zum Ausdruck. Theater, Konzertsäle und ein Opernhaus hatte Brüssel Mitte der 1860er Jahre bereits. "In der Stadt, die sich so gerne als Paris’ kleine Schwester sah, baute man deshalb eine Börse, die aussah wie eine Oper."

Biermuseum samt Dachterrasse

Es war der Beginn einer Erfolgsgeschichte, von der Brüssel architektonisch wie wirtschaftlich bis heute zehrt. Die Sanierung erweckt eine Fülle opulenter Verzierungen und Statuen aus unterschiedlichen Epochen zu neuem Leben, mit denen Architekt Léon Suys verschiedenste Geschmäcker vereinte. In umliegenden Gaststätten können Besucher im Geiste mit den Börsianern von damals anstoßen, die es sich dort dank prächtiger Geschäfte gutgehen ließen.

Ein Highlight ist die Dachterrasse, die den Blick auf andere Wahrzeichen Brüssels freigibt. In den Genuss kommt allerdings nur, wer 17 Euro Eintritt ins Biermuseum zahlt, das neuerdings in der Börse untergebracht ist. Das befremdet nicht nur Stadtführer und Buchautor Manuel Schmitz.

Die politisch Verantwortlichen geben sich mit der abgeschlossenen Sanierung nicht zufrieden: Sie lassen den – ohnehin bereits autofreien – Bereich rund um die Börse zu einer vollwertigen Fußgängerzone umgestalten. Ab Oktober müssen sich Besucher auf weitere Bauarbeiten einstellen. Nur in der Vorweihnachtszeit lassen die Arbeiter den Presslufthammer ruhen, damit sich auf dem Weihnachtsmarkt niemand am Punsch verschluckt.

Ans Persoons, die für Stadtplanung zuständige Staatssekretärin der Brüsseler Regionalregierung, verbreitet Vorfreude: Sind die Bauarbeiten erst mal abgeschlossen, werde das "Half-en-Half" – ein typisches Brüsseler Gemisch aus Weißwein und Sekt – rund um die Börse noch besser schmecken. Ein belgisches Blondes oben auf der Dachterrasse, in den Bars und Brasserien unten ein Aperitif: Da läuft Einheimischen, Dauerpendlern und Touristen gleichermaßen das Wasser im Mund zusammen.

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