LEITARTIKEL

Die Chinesen vor Augsburg

Deutsche Politiker entdecken eine neue Gefahr: das angekündigte Übernahmeangebot des chinesischen Hausgerätekonzerns Midea für den Augsburger Roboterhersteller Kuka. An vorderster Front bastelt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) an einer...

Die Chinesen vor Augsburg

Deutsche Politiker entdecken eine neue Gefahr: das angekündigte Übernahmeangebot des chinesischen Hausgerätekonzerns Midea für den Augsburger Roboterhersteller Kuka. An vorderster Front bastelt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) an einer Abwehrstrategie. Eine alternative Offerte für das Vorzeigeunternehmen deutscher Produktions- und Automatisierungstechnik soll her.Erkennt Gabriel in den Ambitionen von Midea wirklich eine ernste Bedrohung für das große deutsche Projekt “Industrie 4.0”? Oder ist er einfach auf der Suche nach einem Profil als Minister? Eine dritte Interpretation: Gut ein Jahr vor der Bundestagswahl will er sich nicht dem (unsinnigen) Vorwurf aussetzen, tatenlos einem Ausverkauf deutscher Hochtechnologie zuzusehen. Was auch immer ihn in die Offensive treibt, Gabriel ist auf einem Irrweg – aus rechtlicher, betriebs- und volkswirtschaftlicher Sicht.Dass er kein rechtliches Mittel hat, sagt Gabriel selbst. Nach dem Außenwirtschaftsgesetz ließe sich ein Verkauf eines Unternehmens nur verhindern, wenn wesentliche Sicherheitsinteressen oder ein Grundinteresse der Gesellschaft bedroht wären. Auf den Fall Kuka trifft beides nicht zu.Aus betriebswirtschaftlicher Sicht lässt sich festhalten, dass bisher kein deutsches Unternehmen eine Übernahme von Kuka für so attraktiv gehalten hat, um sich zu einer Offerte an die Aktionäre aufzuraffen. Warum sollten sich ausgerechnet jetzt auf Initiative der Politik Interessenten finden, die mindestens denselben Preis bieten wie Midea? Der ist sehr hoch – bezogen auf den erwarteten Umsatz und das Ergebnis und auch im Vergleich zu Konkurrenten. Das angekündigte Angebot bewertet Kuka mit 4,5 Mrd. Euro. Das entspricht dem Doppelten der Marktkapitalisierung vor gerade einmal gut vier Monaten.Siemens dürfte das viel zu teuer sein. Zudem argumentiert der Konzern bisher, er wolle für seine Kunden nicht zum Konkurrenten werden. Denn Siemens liefert zum Beispiel Steuerungstechnik sowohl an Kuka als auch an andere Hersteller von Industrierobotern.Für die deutsche Automobilindustrie kommt es nicht in Frage, sich aus industriepolitischen oder patriotischen Motiven an Kuka zu beteiligen. Auch wenn die Branche die wichtigste Kundengruppe des Augsburger Unternehmens ist mit rund der Hälfte vom Konzernumsatz. Ob man sich in München, Stuttgart oder Wolfsburg umhört: Die deutschen Autohersteller sehen keine Gefahr, wenn Midea die Kontrolle über Kuka gewinnen sollte. In China arbeiten sie längst mit Zulieferern und Joint-Venture-Partnern zusammen. Volkswagen etwa ist dort mit einer Produktion schon seit mehr als 30 Jahren präsent.VW und die Konkurrenten haben Erfahrung darin, ihr Wissen zu schützen und einen Diebstahl von Technologie zu verhindern. Die Roboter werden zudem erst im Werk und von den Unternehmen selbst mit sensiblen Daten gefüttert. Gewiss, mit der “Industrie 4.0” und der Vernetzung der Anlagen steigen die Risiken für die Sicherheit. Doch die Folgen eines Missbrauchs von Daten wären für Kuka verheerend. Über die Gefahr, das Vertrauen und die Kunden zu verlieren, dürfte sich Midea im Klaren sein.Schließlich gibt Gabriels Abwehrversuch auch mit Blick auf die deutsche Volkswirtschaft ein Signal, das Schaden anrichten kann. Deutschland verdankt seinen Wohlstand zu einem guten Teil seiner Exportstärke und setzt sich für freien Handel und Kapitalverkehr ein. Die Glaubwürdigkeit leidet, wenn jetzt dem Investor Midea die Tür vor der Nase zugeschlagen wird. Um welche Firma wird hierzulande wohl das nächste Bollwerk errichtet?Wie viele deutsche Unternehmen profitiert Kuka von China als Produktionsstandort, Beschaffungsquelle und riesigem Absatzmarkt. Chancen zu nutzen muss auch in der anderen Richtung für Chinesen möglich bleiben.Unter allen Aspekten – von den rechtlichen bis zu den volkswirtschaftlichen – wäre es besser, wenn über Kuka die Aktionäre und das Management entscheiden. Aufgabe der Politik ist, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Vermutlich würde es im umgekehrten Fall Europäern oder Amerikanern verwehrt werden, ein chinesisches Unternehmen zu erwerben, das die dortige Regierung als strategisch wichtig einstuft. Für faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu kämpfen ist daher der richtige Weg. Nicht aber während eines Spiels die Regeln zu ändern.——–Von Joachim HerrDie Offerte der chinesischen Midea für die Roboterfirma Kuka in Augsburg wird zum Politikum. Der Versuch, den Verkauf zu verhindern, ist falsch.——-