Steuerpolitik

Die Digitalsteuer reicht weiter als bis in die Innenstadt

Der Boom im Online-Handel hatte kurz vor Weihnachten den Wunschzettel so mancher Politiker verlängert. Robert Habeck, Co-Parteichef der Grünen, wünschte sich eine Digitalsteuer. Die Pandemie zwinge die lokalen Geschäfte zu schließen, die...

Die Digitalsteuer reicht weiter als bis in die Innenstadt

Von Angela Wefers, Berlin

Der Boom im Online-Handel hatte kurz vor Weihnachten den Wunschzettel so mancher Politiker verlängert. Robert Habeck, Co-Parteichef der Grünen, wünschte sich eine Digitalsteuer. Die Pandemie zwinge die lokalen Geschäfte zu schließen, die Innenstädte verödeten, der Online-Handel mache ein Jahrhundertgeschäft, jammerte Habeck. Aber auch die CDU/CSU im Bundestag sorgt sich um den stationären Handel und brachte eine Abgabe auf Pakete für Online-Händler ins Gespräch – gestaffelt nach Bestellwert. Die Einnahmen sollen einen „Innenstadtfonds“ speisen und damit Online-Händler an den Kosten der kommunalen Infrastruktur beteiligen.

National zu kurz gedacht

Dass die politisch Verantwortlichen in der Pandemie große Teile des Einzelhandels stillgelegt haben, mag für die Branche nicht gerecht sein. Es lässt sich aber sicher nicht dadurch heilen, dass sie der wendigen Konkurrenz mit Zusatzabgaben das Leben schwer machen. Auch schon vor der Pandemie hat sich der einstmals nur stationäre Einzelhandel oft längst auf Online-Bestellungen und Versand eingestellt. Wo also wäre die Trennungslinie? Auf die Frage der Finanzierung der kommunalen Infrastruktur hat das deutsche Steuersystem bereits eine Antwort. Sie heißt Gewerbesteuer. Dass große Digitalkonzerne und Online-Händler wie Amazon, Google oder Facebook hierzulande kaum Gewerbe- und Körperschaftsteuer zahlen, hat einen anderen Grund. Deutschland ist in Bezug auf Digitalkonzerne ein Entwicklungsland.

Seit Leistungen in der digitalen und globalisierten Welt nicht mehr an einen festen Ort und eine Betriebsstätte gebunden sind, bleiben sie in den Ländern der Absatzmärkte quasi steuerfrei. Viele Marktstaaten, vielfach sind es Schwellen- oder Entwicklungsländer, klagen schon lang darüber. Sie wollen ein größeres Stück vom Steuerkuchen. Deutsche Firmen, die dorthin exportieren, versteuern großteils hierzulande. In Ermangelung großer Digitalkonzerne, die sich mit jenen aus den USA messen könnten, trifft uns, die wir in diesem Fall der Marktstaat sind, dasselbe steuerliche Schicksal.

Eine geeignete Antwort auf die digitalen und nicht ortsgebundenen Geschäftsmodelle kann aber keine punktuelle Umsatzsteuer zur Rettung des innerstädtischen Einzelhandels sein. Wer darauf baut, verzettelt sich. Hier und da müsste der boomende Konkurrent einer schwächelnden Branche mit einem finanziellen Handicap belegt werden, um alte Strukturen zu konservieren.

Nötig ist ein neues, weltweit etabliertes Steuersystem, das der digitalisierten Wirtschaft und ihren Geschäftsmodellen standhält. Die Arbeiten daran laufen seit Monaten im Auftrag von 137 Industrie-, Schwellen und Entwicklungsländern unter der Regie der OECD. Nachdem die Trump-Administration im US-Wahlkampf schlechte Schlagzeilen in Steuersachen fürchtete, zog sie im Sommer 2020 in den OECD-Gesprächen die Notbremse. Die neue Finanzministerin der Biden-Regierung, Janet Yellen, hat nun positive Signale an ihre Kollegen in der Welt gesendet. Dies wurde bei der jüngsten Steuerkonferenz der OECD deutlich. Ohne die USA wäre ein internationales Steuerabkommen wertlos.

Nicht nur die USA, auch die Corona-Pandemie hatte die ursprünglich für den vergangenen Herbst anvisierte politische Grundsatzeinigung ausgebremst. Als neuer Termin ist dieser Sommer ins Auge gefasst, um die neue Weltsteuerordnung politisch aus der Taufe zu heben. Die Umsetzung wird ohnehin noch einige Jahre dauern. Die gute Nachricht für die Wirtschaft ist: das Zwei-Säulen-Konzept der OECD ist keine wie auch immer geartete Extraverbrauchsteuer auf kaum zu definierende digitale Leistungen oder digitale Unternehmen. Es bleibt vielmehr bei der Besteuerung des Gewinns.

In Säule1 des Konzepts geht es darum, das Steuersubstrat großer international agierender Unternehmen – voraussichtlich mit einem Jahresumsatz von 750 Mill. Dollar an – zwischen den Staaten mit den Firmensitzen und den Absatzmärkten neu zu verteilen. Einen politisch vereinbarten Schlüssel dafür festzulegen wird schwer genug sein. Mit Säule2 des Konzepts soll eine Mindestbesteuerung die Abwärtsspirale im internationalen Wettbewerb um den attraktivsten Steuerstandort stoppen. Die OECD lockt damit, dass rund 100 Mrd. Dollar Mehreinnahmen winken. Verlierer wären vor allem Steueroasen.

Sorgen in der Wirtschaft

Die Wirtschaft befürchtet in beiden Fällen Doppelbesteuerung. Zudem ist das System administrativ extrem komplex. Die Unternehmen pochen vor allem auch auf Rechtssicherheit, wenn Staaten künftig um Steuersubstrat ringen. Sicher ist: Die alte Steuerwelt ist faktisch schon aus den Angeln gehoben. Martin Kreienbaum aus dem Bundesfinanzministerium, der die OECD-Steuerungsgruppe leitet, machte jüngst deutlich, dass es auf jeden Fall nur zu einer Paketlösung der beiden OECD-Säulen kommen wird. Eine Verlängerung über den Sommer hinaus schloss er aus. Sie ist auch unwahrscheinlich. Der Druck der Straße ist groß, die Big Techs mit nationalen Regelungen steuerlich zu belangen – nicht nur in Deutschland. Das Ergebnis wäre ein Flickenteppich von zusätzlichen Belastungen mit einer Vielzahl unterschiedlicher Regelungen. Ein solches Ergebnis kann auch der Wirtschaft nicht passen.

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