Kommentar:Immobilienwirtschaft

Die etwas andere Krise

Die Immobilienbranche leckt sich die Wunden. Zu Recht. Aber die Situation ist viel besser als nach der Finanzkrise 2008. Dies unterstreicht die Branchenmesse Expo Real in München, die nun zu Ende ging.

Die etwas andere Krise

Immobilienwirtschaft

Die etwas andere Krise

Die Immobilienbranche leckt sich die Wunden. Zu Recht. Aber die Situation ist viel besser als nach der Finanzkrise 2008.  

Von Michael Flämig

Die Immobilienwirtschaft sucht weiterhin ihren Weg aus der Krise. Dies ist das Ergebnis der dreitägigen Messe Expo Real, die am Mittwoch zu Ende ging. Die Unsicherheit über die Entwicklung war in den Hallen am Rande Münchens mit Händen zu greifen. Werden die Transaktionen schon in der ersten Hälfte des nächsten Jahres wieder anziehen? Oder steht die Branche vor einem Übergangsjahr?

Auf den Blickwinkel kommt es an

Letztlich hängt die Antwort davon ab, aus welchem Blickwinkel die Tatsachen betrachtet werden. Wer die Schockstarre 2023 als Ausgangspunkt nimmt, der wird eine Belebung konstatieren. Wird dagegen der Boom vor der Corona-Pandemie als Vergleichszeitraum gewählt, dann sieht es auch im Jahr 2025 vergleichsweise mau aus.

Die Messe hat gezeigt: Eine schnelle Erholung gibt es nicht. Die Investoren tasten sich weiterhin langsam voran, prüfen unverändert Anlagemöglichkeiten in anderen gut verzinslichen Assets, analysieren die Zinsentwicklung am langen Ende und wollen erst einmal den Beweis sehen, dass sie dem Braten trauen können. Teils fehlt schlicht das Kapital für neue Engagements. Damit dürfte der Markt erst im Jahr 2026 anziehen – und sollte eine beinharte Rezession zuschlagen, muss über ganz andere Szenarien geredet werden.

Belastende Dürrephase

Für Banken und Investoren ist die Dürrephase belastend. Aber sie ist keine Katastrophe. Es ist vielmehr ein Atemholen nach einer Aufschwungphase, die historisch genannt werden kann. Viel wichtiger noch: Es ist eine etwas andere Krise.

Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens berichten die Maklerhäuser, dass sie lange Listen von Unternehmen führen, die sich potenzielle Büroräume zeigen lassen. Es werden schnell Unterschriften folgen, wenn der Markt etwas anspringt, weil sonst präferierte Locations plötzlich nicht mehr verfügbar sind. Selbst wenn man den berufstypischen Optimismus der Immobilienvermittler wertberichtigt, bleibt die Erkenntnis: Anders als in der Finanzkrise 2008 ist die Nachfrage nicht ausgetrocknet, und zwar über fast alle Assetklassen hinweg.

Nicht ins Bodenlose

Zweitens: Ein finanztechnischer Umstand verhindert, dass die Bewertungen ins Bodenlose stürzen. Während die Darlehen für Immobilien im Jahr 2008 rund 80 bis 90% des Beleihungswertes erreichten, ist der Eigenkapitalanteil heutzutage weit höher als damals. Die Folge: Die Abwertungen führen selten dazu, dass die Banken die Eigentümer zu einem Verkauf zwingen. Die Darlehensnehmer müssen vielleicht höhere Zinssätze zahlen oder ein wenig Eigenkapital zuschießen – das war’s in der Regel. Notverkäufe zu extrem niedrigen Preisen sind anders als in der Finanzkrise die Ausnahme. Dies stützt die Bewertungen.

Dieser Effekt lässt sich gut am Beispiel angelsächsischer Großinvestoren illustrieren. Sie haben beispielsweise in New York einen Wertverfall der Büros um gut die Hälfte gesehen, die Leerstandsraten liegen irgendwo bei einem Fünftel. Ihre Schlussfolgerung: die Kriegskasse füllen, denn so wird es auch in Deutschland kommen – und dann kann man auf Schnäppchenjagd gehen. Weit gefehlt. Der hiesige Markt ist zwar gestresst, aber zugleich weit robuster, als zu befürchten war. Im Schnitt aller Anlageklassen mögen die Werte um 15% gesunken sein, Büros sind um bis zu 35% günstiger. Private Equity & Co. wird das gebunkerte Geld andernorts investieren müssen.

Irgendwann gehts wieder los

Klar ist auch: Weil Deutschland voraussichtlich nicht untergeht, wird der Immobilienmarkt irgendwann wieder anziehen. Das aktuelle Zinsniveau ist kein Hindernis hierfür. Wer jetzt Geld auf der hohen Kante und keine überzogenen Renditeziele hat, kann gute Geschäfte machen.

Sobald wieder Transaktionen im Markt sind, heben die Banken die Bewertungsniveaus in ihrem Bestand, die von Gutachtern hinuntergeschleust wurden, voraussichtlich an. Dies macht Eigenkapital frei, weil die Kreditgeber bei niedrigeren Beleihungsausläufen weniger eigenes Geld unterfüttern müssen. Dieses freigesetzte Eigenkapital ermöglicht dann Neugeschäft. Es wird spannend, ob dies wirklich schnell genug klappt – oder die Regulatorik zu strikt ist.

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